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Eiweiß im Harn (Proteinurie) - Übersicht
Univ.Prof.Dr.med. Wolfgang Hübl
Info - Referenzbereiche - Isolierte Proteinurien (inkl. gutartige Proteinurie)
Zur ausführlicheren Beschreibung
IN 5 SÄTZEN:
Unter Proteinurie versteht man eine vermehrte Ausscheidung von Protein (=Eiweiß) im Harn, was meist mit Hilfe eines Teststreifens erstmalig nachgewiesen wird. Die häufigsten Ursachen einer einmalig nachgewiesenen, mäßiggradigen Proteinurie sind harmlos, auch ist die Proteinurie oft vorübergehend. Stärkere oder nicht vorübergehende Proteinurien haben meist eine Nierenerkrankung als Ursache. Durch Messung des Ausmaßes der Proteinurie kann man grob abschätzen, wie schwer die Nierenschädigung ist. Durch genauere Bestimmung der Art des vermehrten Proteins erhält man einen Hinweis, welche Nierenerkrankung vorliegen könnte.
   
INFO:

 

Allgemeines

Was versteht man unter einer Proteinurie?
Unter Proteinurie versteht man das vermehrte Auftreten von Eiweiß (=Protein) im Harn. In Zahlen ausgedrückt: wenn man mehr als 150 mg Eiweiß pro Tag im Harn ausscheidet, nennt man das Proteinurie.

Wie erkennt man Eiweiß im Harn?
Am häufigsten wird dazu eine Teststreifenuntersuchung eingesetzt. Mit ihr lässt sich auf einfache Weise Eiweiß im Harn nachweisen.

Links zeigt Teststreifen Protein an. Rechts normaler Harn. Nachweis einer Proteinurie mittels Teststreifen
Man taucht den Teststreifen kurz in den Harn und überprüft nach einer Minute, ob eine Verfärbung des Proteinfeldes eingetreten ist.
Links zeigt sich das Proteinfeld blaugrün verfärbt. Es wurde Eiweiß gefunden.

Zum Vergleich rechts ein Normalbefund.

 

Welche anderen Nachweismethoden für Eiweiß im Harn gibt es?
Es gibt sehr viele labormedizinische Methoden, Eiweiß im Harn zu bestimmen. Sie sind etwas komplizierter als der Teststreifen dafür sagen sie uns, wieviel Eiweiß im Harn ist (das kann der Teststreifen nur ungefähr sagen) und spezielle Methoden sagen uns auch, welche Eiweißstoffe im Harn vermehrt sind.

 

Warum misst man Protein (=Eiweiß) im Harn?

  • Die Untersuchung des Eiweißes im Harn mittels Teststreifen gehört zu den Routine-Tests bei Reihen- oder Gesundenuntersuchungen (Screening).
  • Zur Erkennung von Nierenschäden und zur Verlaufsbeobachtung bekannter Nierenschäden.
  • Nachweis spezieller Eiweißarten zur Unterscheidung verschiedener Nierenschäden.
  • Bei anderen Erkrankungen, von denen man weiß, dass sie manchmal mit Proteinurie einhergehen (Blutkrebs: Plasmozytom, Lymphdrüsenkrebs: z.B. Immunozytom).

 

Einschub: das Harnsystem und die Ausscheidung von Protein
 

Harntrakt

Das Harnsystem
Das Blut fließt durch die Nieren. Harn wird durch die Nierenfilter, die Glomeruli, abgefiltert. Der größte Teil der Flüssigkeit wird noch in der Niere zurückgeholt, aber ca. 1.5 Liter fließen pro Tag in den Harnleiter, in die Blase und werden schließlich über die Harnröhre ausgeschieden.
  
Ein Nierenfilter (Glomerulus) Der Glomerulus in größerer Darstellung
Über 1 Million solcher Filtereinheiten finden sich in der äußeren Schicht der Nieren. Das Blut fließt durch die Kappillarschlingen. Flüssigkeit und kleinere Moleküle werden dabei abgefiltert und kommen so in den Harn.
Die meisten Eiweißstoffe gehen nicht durch den Filter durch. Die kleinsten Eiweiße, die dies doch tun, werden noch in der Niere aus dem Harn zurückgeholt. Im Harn wird also normalerweise sehr wenig Eiweiß ausgeschieden.


 

Ursachen einer Proteinurie

Vorweg sei gesagt, dass bei den meisten Menschen mit Proteinurie, die einmalig nachgewiesen wurde, keinerlei Erkrankung vorliegt. Viele der bei Reihenuntersuchungen gefundenen Proteinurien stellen also eine relativ harmlose Besonderheit dar. Eine Gruppe davon sind die gutartigen (benignen) Proteinurien, die weiter unten näher beschrieben sind.

A. Proteinurien bei Erkrankungen der Niere

  • eigenständige Nierenerkrankungen wie die
    • Glomerulonephritis, eine Entzündung der Nierenfilter
    • Schädigung der Niere durch Medikamente
  • häufiger sind aber Nierenschäden als Folge anderer Erkrankungen wie
    • bei Zuckerkrankheit oder
    • Bluthochdruck
    • Lupus erythematodes oder anderen Autoimmunkrankheiten
    • Infektionen (HIV, Hepatitis)
    • Gicht (bzw. zu hohe Harnsäure im Blut)
    • Plasmozytom (spezielle Blutkrebsart)

 

B. Proteinurien durch übermäßigen Anfall eines Eiweißstoffes
(Überproduktionsproteinurie u. Überlaufproteinurie)
Die Ursache einer solchen Proteinurie liegt darin, dass bestimmte, kleinere Eiweißstoffe im Blut in großer Menge auftreten und über die Niere ausgeschieden werden.
Kleinere Mengen dieser Eiweißstoffe werden normalerweise von der Niere zurückgeholt, bei großen Mengen ist die Niere aber überfordert.

Ursachen dafür können sein:

  • Massive Zerstörung roter Blutkörperchen (Hämolyse) mit massivem Anfall von rotem Blutfarbstoff (Hämoglobin). Folge: Hämoglobinurie (Hämoglobin im Harn).
  • Massive Zerstörung von Muskelgewebe mit massivem Anfall eines Eiweißstoffs aus dem Muskel (Myoglobin). Folge: Myoglobinurie (Myoglobin im Harn).
  • Produktion eines abnormen Proteins (sog. freie Leichtketten) durch Blut- oder Lymphdrüsenkrebs (z.B. Plasmozytom, Immunozytom). Normalerweise sind freie Leichtketten nur in sehr geringer Menge in Blut oder Harn.

 

C. Andere Ursachen für Proteinurie

Steine, Infektionen, Verletzungen aber auch Tumoren im Bereich der Niere oder Harnwege können Blutungen und Eiweißvermehrung im Harn verursachen.
Beispiele wären Entzündungen (z.B. im Bereich des Nierenbeckens oder der Harnblase); Nierensteine, Harnleitersteine oder Blasensteine; Tumoren im Bereich der Niere, Harnwege oder Prostata.

Ursachen einer Proteinurie "nach der Niere", d.h. nach Nierenfilter und Nierenröhrchen Andere Ursachen einer Proteinurie
  • Steine, Tumoren im Bereich der Niere
  • Infektionen, Steine, Tumoren im Bereich des Nierenbeckens (4).
  • Harnleiter-Steine, Entzündungen (5).
  • Blasensteine, Blaseninfektionen (6)
  • Blasen- oder der Prostatatumoren (6)

Blutungen müssen allerdings stark sein, damit sie eine Proteinurie verursachen. Bei einer minimalen Blutung, die man nur mit dem Teststreifen erkennt, wird das Proteinfeld des Teststreifens nicht positiv werden.

 

 

Abklärung der Ursache einer Proteinurie

 

Wann muss man eine Proteinurie abklären?
Wenn eine starke Proteinurie vorliegt, wird man gleich mit der Abklärung beginnen, bei leichteren Proteinurien wird man erst mit einer Abklärung beginnen, wenn die Proteinurie nicht vorübergeht.

Einfache Hinweise

  • Liegt eine gutartige Proteinurie vor?
    Erst einmal wird man überlegen, ob nicht eine gutartige Proteinurie vorliegen könnte (siehe unter isolierte Proteinurien).
     
  • Wie sieht der Harn aus?
    Ist er trüb-braun-rötlich verfärbt spricht das für eine Blutung (allerdings verursachen, wie erwähnt, nur stärkere Blutungen eine merkbare Proteinurie).
    Ist er durchsichtig-rötlich verfärbt könnte Hämoglobin die Ursache sein.
    Ist er weißlich-trübe könnte das durch Eiter verursacht sein (ein solcher Harn kann auch schlecht riechen).
     
  • Teststreifen
    Weiter helfen können auch die anderen Felder des Teststreifens. Ein verfärbtes Leukozyten- und Nitrit-Feld könnte für einen Harnwegsinfekt sprechen (z.B eine Blasenentzündung). Das Erythrozyten/Hämoglobin-Feld wird bei Blutungen aber auch bei Hämoglobinurie oder Myoglobinurie verfärbt sein.

 

Analyse des Harns im Labor

  • Bestimmung der ausgeschiedenen Eiweißmenge
    Das Ausmaß der Proteinurie ist wichtig. Entscheidend ist dabei weniger der Gehalt des Harns an Eiweiß sondern die Eiweißausscheidung pro Tag. Um dies zu ermitteln, sammelt man den Harn 24h lang und sendet davon eine Probe ins Labor. Aus der Menge an ausgeschiedenem Harn und dem Eiweißgehalt der Probe kann man die Protein-Tagesauscheidung berechnen.
    Je mehr Eiweiß man pro Tag ausscheidet, desto unwahrscheinlicher ist eine gutartige Proteinurie. Scheidet man mehr als 2 g Eiweiß pro Tag aus, ist ein Nierenschaden sehr wahrscheinlich.  Viel seltener können Blutkrebs (Plasmozytom) oder Lymphdrüsenkrebs zu so hohen Eiweißwerten führen.
     
  • Welche Proteine werden ausgeschieden?
    Es gibt mehrere Eiweißstoffe, die eine Proteinurie verursachen können. Mit speziellen Methoden kann man herausfinden, welche Eiweißstoffe im Harn ausgeschieden werden. Aus dem Muster der ausgeschiedenen Proteine kann man Rückschlüsse ziehen, welche Erkrankung vorliegt, und auch, wie schwer eine Nierenerkrankung ist.
    Näheres zu den Markerproteinen bei Proteinurie.
     
  • Untersuchung des Harns im Mikroskop
    Man muss den Harn bei Proteinurie auch im Mikroskop untersuchen. Das gelöste Protein selbst kann man zwar nicht sehen, man kann aber oft Hinweise auf Nierenschädigungen finden oder auch Hinweise auf andere Erkrankungen wie Harnwegsinfekte (z.B. Blasenentzündung).

 

Welche anderen Untersuchungen können bei der Abklärung einer Proteinurie helfen?

  • Verschiedene Laboruntersuchungen
    Blut: Neben den Routineuntersuchungen müssen je nach Verdachtsmomenten verschiedene Spezialtests durchgeführt werden. Einerseits um zu wissen, wie gut die Niere funktioniert (Kreatininclearance) andererseits, um die Ursache zu ermitteln: Antinukleäre Antikörper und andere Autoantikörper, ASLO, Komplement (C3, C4), Albumin, Infektionstests (HIV, Hepatitis, Syphilis), Cholesterin.
    Harn: Untersuchung des Harns auf Blut im Harn und Untersuchung des Harns im Mikroskop (Suche nach dysmorphen roten Blutkörperchen, weißen Blutkörperchen, Bakterien, Pilzen und Harnzylindern). Harn-Elektrophorese und Bestimmung der von speziellen Markerproteinen.
  • Blutdruckmessungen
  • Ultraschalluntersuchungen
    Vor allem der Nieren, aber auch Harnleiter, Blase, Prostata. 
  • Nierenbiopsie (Gewebsentnahme aus der Niere)
    In manchen Fällen kann zur Diagnosestellung eine Nierenbiopsie notwendig werden. Diese kann durch die Haut durchgeführt werden. Meist wird eine Biopsie nur bei andauernder, stärkerer Proteinurie (über 2 g/Tag) notwendig oder wenn andere Befunde für eine gestörte Nierenfunktion oder eine Nierenschädigung sprechen.
  • Spezielle Untersuchungen des Harntraktes falls erforderlich
    Urographie (Darstellung des Harntraktes, d.h. Niere, Harnleiter, Harnblase im Röntgen), Computertomographie, Kernspinresonanzuntersuchungen, Harnblasenspiegelung (Zystoskopie).
  • Andere Untersuchungen
    Untersuchung des Gehörs und der Augen (eine erbliche Nierenerkrankung - das Alport-Syndrom - geht mit Schwerhörigkeit und Augenerkrankungen einher)

 

Zum Schema für die Abklärung einer Proteinurie Schema zur Abklärung einer Proteinurie
(nach M.F.Carroll, American Family Physician, 2000)

 

Zur ausführlicheren Beschreibung
   
REFERENZ-
BEREICHE
IM HARN:
  Bereich Einheit Bereich Einheit
Teststreifen-Gesamteiweiß negativ

 

 

 

Gesamteiweiß
(=Totalprotein; Biuret-Methode*)-

Konzentration
5 - 24

mg/dl

50 bis 240

mg/l

Gesamteiweiß
(=Totalprotein; Biuret-Methode*)

24h-Ausscheidung
40 bis 150

mg pro Tag

   

*Referenzbereiche methodenabhängig.

 

ISOLIERTE
PROTEINURIEN:
Isolierte Proteinurien
(modifiziert nach Harrison's Principles of Internal Medicine, 2002)

Isoliert heißt: abgesehen von der Proteinurie ist der Harn in Ordnung und auch die Nieren und die Harnwege sind ohne Auffälligkeiten. Meist ist die Tagesausscheidung von Protein unter 2 g/l.
Isolierte Proteinurien sind sehr häufig, nach manchen Studien kommen sie bei jedem 10. vor.
 
Man unterscheidet 2 Formen:

  • Proteinurien, die nur zeitweise bestehen. Diese entwickeln sich fast nie zu einer Nierenerkrankung. Man nennt sie daher gutartige (=benigne) isolierte Proteinurien. Sie sind häufig.
  • Proteinurien, die dauernd bestehen. Man nennt sie daher persistierende isolierte Proteinurien. Diese haben eine etwas schlechtere Prognose. Sie sind seltener.

 

Gutartige (=benigne) isolierte Proteinurien
(80% aller isolierten Proteinurien)
Da gibt es verschiedene Formen. Allen gemeinsam ist, dass sie nicht andauernd bestehen und dass sich fast nie eine Nierenerkrankung daraus entwickelt.

  • Idiopathische transiente Proteinurie
    Idiopathisch heißt praktisch "man weiß nicht warum", transient heißt vorübergehend. Kommt meist bei jüngeren Erwachsenen, bei denen sich einmalig Protein im Harn findet (meist mit dem Teststreifen entdeckt), weiteren Untersuchungen sind aber negativ.
  • Funktionelle Proteinurie
    Auch eine vorübergehende Proteinurie. Aber man kennt die Ursache. Entsteht wegen Fiebers, Unterkühlung, körperlicher oder seelischer Belastung, Herzschwäche. Prinzipiell kann man bei vielen Erkrankungen oder Operationen kurzfristig Eiweiß im Harn finden.
  • Intermittierende Proteinurie
    Nicht wirklich vorübergehend sondern immer wieder auftretende Proteinurie. Etwa bei jeder 2. Harnprobe findet sich Eiweiß im Harn.
  • Orthostatische Proteinurie
    Proteinurie bei aufrechter Körperhaltung. Häufige Erscheinung. Kommt vorwiegend bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen vor. Proteinurie tritt nur nach längerem Stehen oder Sitzen auf. Testet man in der Früh nach einer längeren Liegephase, findet man kein Eiweiß im Harn. Bei den meisten vergeht dieses Phänomen rasch, etwa 20% zeigen es langfristig. Aber auch bei diesen verschwindet es nach 10 bis 20 Jahren.

 

Persistierende (=andauernde) isolierte Proteinurien
(20% aller isolierten Proteinurien)
Im Unterschied zur gutartigen isolierten Proteinurie besteht hier die Proteinurie andauernd. Und sie entsteht auch im Liegen. Ursache sind meist leichte entzündliche Veränderungen der Glomeruli der Niere. Die Aussichten bei dieser Veränderung sind schlechter als bei der gutartigen isolierten Proteinurie. Aber dennoch kommt es nur bei ca. 30 % aller persistierenden isolierten Proteinurien einmal zu einem Nierenversagen.

Bei der Diagnose der isolierten persistierenden Proteinurie muss man bei älteren Personen eine Ausscheidung von Leichtketten auf Grund einer bösartigen Erkrankung (Plasmozytom, Immunozytom) durch Bestimmung der Leichtketten oder durch eine Harn-Elektrophorese ausschließen.

 
  Zur ausführlicheren Beschreibung

 

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Letzte Änderung 2004-01-05

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