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Cholinesterase - Übersicht
Univ.Prof.Dr.med. Wolfgang Hübl / Dipl.MTA.Maria Zeilinger
 
 Kurzinfo - Referenzbereiche - Erhöhung - Verminderung - Differentialdiagnose (Abklärung)
 
NAME:
Cholinesterasen sind Wirkstoffe, die bestimmte Moleküle, die sog. Cholinester, abbauen können.
   
Im Körper kommen verschiedene Cholinesterasen vor. Im klinischen Gebrauch versteht man darunter aber nur die in der Blutflüssigkeit vorkommende Cholinesterase (genauer die Acylcholin-Acylhydrolase, die auch als Pseudo-Cholinesterase, unspezifische Cholinesterase, Cholinesterase II, Benzoyl-Cholinesterase oder S-Typ-Cholinesterase bezeichnet wird).
Obwohl man noch gar nicht weiß, wozu die Cholinesterase im Serum gut ist, bringt ihre Bestimmung wertvolle Hinweise für verschiedene medizinische Fragestellungen. So bestimmt man die Cholinesterase in der Blutflüssigkeit zur Erkennung von Leberschäden oder Vergiftungen mit bestimmten Schädlingsbekämpfungsmitteln.
Bei Menschen mit verminderter Cholinesteraseaktivität wirken manche bei der Narkose eingesetzte Medikamente viel stärker. Um dies zu erkennen und die Dosierung der entsprechenden Medikamente anzupassen, wird die Cholinesterase auch vor Operationen gemessen.
   
REFERENZ-
BEREICH:
  Bereich* Einheit
Frauen bis 39.Lj 2800 - 7400 U/l
Frauen ab 40.Lj und Männer 3500 - 8500 U/l
In der Schwangerschaft
bzw. bei Einnahme
der "Pille"
2400 - 6000 U/l

Neugeborene haben nur etwa die halbe Cholinesteraseaktivität
und erreichen die Erwachsenenwerte im 6. Lebensjahr.

*Der Referenzbereich ist stark methodenabhängig.
Verschiedene Tests und verschiedene
Bestimmungstemperaturen führen zu stark
unterschiedlichen Ergebnissen.

    
Erhöhungen werden zwar bei verschiedenen Erkrankungen beobachtet, haben aber weder für Erkennung noch für die Verlaufskontrolle dieser Erkrankungen irgendeine Bedeutung.
Man findet sie bei:
  • Zuckerkrankheit
  • Herzgefäßerkrankungen (Herzenge - Angina Pectoris, Herzinfarkt)
  • Hyperlipoproteinämie IV (Triglyzeriderhöhungen = "Blutfetterhöhungen")
  • Nephrotisches Syndrom (Nierenerkrankung mit Eiweißverlust im Harn)
  • Eiweißverlust im Darm (Exsudative Enteropathie)
  • Schilddrüsenüberfunktion
  • Gilbert-Meulengracht-Erkrankung (harmlose Bilirubinerhöhungen bei jüngeren Männern)
  • Schwere Fettleibigkeit
  • Fettleber (alkoholisch, Zuckerkrankheit, Fettsucht, Medikamente)
  • Als erbliche Besonderheit (Cynthiana-Variante)
   
Genetische Varianten
So wie manche Menschen schwarze, andere blonde Haare haben, gibt es auch von der Cholinesterase verschiedene genetische Varianten. Manche von diesen zeigen eine deutlich verminderte Cholinesterase-Aktivität.
Wenn also eine völlig unerklärlich verminderte Cholinesterase vorliegt, kann man auch daran denken. Diese genetischen Varianten sind nicht so selten, die häufigste kommt bei einem von 30 Menschen vor. Sie haben keinen Krankheitswert, man muss aber bei Operationen die Dosierung mancher Medikamente eventuell anpassen.
 
Leberschäden
Die Cholinesterase wird in der Leber hergestellt, dementsprechend ist sie bei Leberschäden vermindert. Prinzipiell kann man damit also Leberschäden erkennen.

Aber:
  • Der Referenzbereich (Normalbereich) der gesunden Bevölkerung ist so breit, dass eine einmalige Bestimmung wenig aussagt. Ein Wert von 3500 kann für den einen Patienten ganz normal sein (er hat immer 3500), kann aber für den anderen auch Ausdruck eines Leberschadens sein (er ist in den letzten Wochen von 8000 auf 3500 abgefallen).
  • Die Cholinesterase in der Blutflüssigkeit ist sehr langlebig (Halbwertszeit ca. 2 Wochen). Plötzliche Leberschäden führen daher erst allmählich zu einem Absinken der Cholinesterase.

Die Cholinesterase wird daher weniger zur Erkennung von Leberschäden verwendet sondern zur Beobachtung des Verlaufs einer Lebererkrankung (ob sie sich verbessert, verschlechtert oder gleich bleibt).

Akute Leberschädigung: Cholinesterase fällt zu langsam, andere Laborwerte sind geeigneter.
Akute Leberentzündungen (Hepatitis): meist (bei unkomplizierten Fällen) bleibt Cholinesterase normal, bei ca. einem Drittel der Fälle erniedrigt.
Chronische Hepatitis und Leberzirrhose: Cholinesterase ist wertvoller Anzeiger für die noch erhaltene Leberfunktion.
Lebertransplantation: die steigende Cholinesterase zeigt die einsetzende Arbeit der neuen Leber an.
Verminderte Cholinesterasewerte findet man daneben noch bei ausgedehnten Lebertumoren oder -metastasen und bei der Stauungsleber.

 

Medikamente
Verschiedene Medikamente können die Cholinesterase senken, darunter auch "die Pille".
Muskelentspannungsmittel (Succinylcholin, Pancuronium), Mittel gegen Darm-/Blasenschlaffheit, grünen Star, Myasthenia gravis (Parasympathomimetika wie Prostigmin®, Mestinon®, Exolon®) Bronchen-Erweiterungsmittel (Bambec®), Psychopharmaka (Lithium), Hormone (Kortikoide, hormonelle Kontrazeptiva), Zytostatika, Chinidin, Betablocker (Brevibloc®), manche Antibiotika und viele andere.

 

Schädlingsbekämpfungsmittel
Besonders Phosphorsäureester und Carbamate.
Akute Vergiftungen führen zu Speichelfluss, Erbrechen, Schwitzen, Muskelzittern, engen Pupillen. Findet man solche Zeichen, dann ist die Cholinesteraseaktivität schon unter 60% der unteren Normalwert-Grenze abgefallen.
Bei Personen, die längerfristig mit solchen Schädlingsbekämpfungsmitteln zu tun haben, werden regelmäßig Bestimmungen der Cholinesterase durchgeführt.

 

Schwere Erkrankungen verschiedenster Ursache
Schwere Infektionskrankheiten, Sepsis (Blutvergiftung), schwere Krebsverläufe, Leukämien (Blutkrebs), nach größeren Operationen, Mangelernährung, nach Entgleisung einer Zuckerkrankheit.

 

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen
Bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa Erhöhungen im aktiven Stadium.

 

Verminderungen (ohne Bedeutung für die Erkennung oder Einschätzung dieser Erkrankungen) wurden ferner bei folgenden Krankheiten beobachtet:
  • Herzinfarkt
  • Perniziöse Anämie (Vitamin B12 Mangel mit Antikörpern gegen Magenschleimhautzellen)
  • Trichinose (Parasitenerkrankung)
   
DIFFERENTIAL-
DIAGNOSE
(ABKLÄRUNG):
Zusatzinfirmationen durch die gleichzeitige Bestimmung der Cholinesterase (ChE), des Albumins und des Leberenzyms GPT (=ALT)
(nach L.Thomas in L.Thomas, Labor und Diagnose, 5.Aufl., TH-Books)
Che Albumin GPT (ALT) mögliche Krankheitsbilder
erniedrigt erniedrigt erhöht Leberschäden: Zirrhose, Entzündung (Hepatitis)
erniedrigt normal normal Hemmung der Cholinesterase: Schädlingsbekämpfungsmittel, Medikamente
erniedrigt erniedrigt normal Blutkrebs, andere Krebsformen, Mangelernährung, Entzündungen der Bauchspeicheldrüse, Nierenversagen, andere schwere Erkrankungen mit "Abbau" des Körpers (kommt es bei den Erkrankungen zu einer Beteiligung der Leber, kann die GPT erhöht sein.)
erhöht normal normal Erhöhung der Blutfette, Zuckerkrankheit, atypische Varianten der Cholinesterase
erhöht normal leicht erhöht kann bei Fettleber vorkommen (Ursachen: Alkohol, Zuckerkrankheit, Fettsucht, Medikamente)
erhöht erniedrigt normal starke Eiweißverluste über die Niere (sog. nephrotisches Syndrom) oder über den Darm (sog. exsudative Enteropathie)
normal normal normal sind alle drei Laborbefunde normal, kann eine Leberzirrhose mit über 99%er Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.
   

 

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Letzte Änderung 2003-09-09

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