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17-alpha-Hydroxyprogesteron
(=17-Hydroxyprogesteron, =17-OH-Progesteron)

Univ.Prof.Dr.med. Wolfgang Hübl
    
ZUSAMMEN-
FASSUNG:
In der Nebenniere wird aus dem Cholesterin das Hormon Cortisol gebildet. Das geschieht über mehrere Zwischenprodukte, eines davon ist das 17-alpha-Hydroxyprogesteron (kurz Hydroxyprogesteron). Es gibt angeborene Störungen, bei denen die Cortisolbildung in der Nebenniere blockiert ist. Die Zwischenprodukte werden aber weiter produziert und stauen sich auf. Die Erhöhung des Hydroxyprogesterons im Blut ist daher ein Zeichen für eine gestörte Hormonbildung in der Nebenniere, genauer gesagt für das sog. adrenogenitale Syndrom (AGS). Bei diesem kann das Hydroxyprogesteron im Blut erhöht sein. Eine Bestimmung des Hydroxyprogesterons im Blut führt man daher bei Verdacht auf ein AGS durch.
   
NAME:
Chemisch ist das Hydroxyprogesteron, genauer das 17-alpha-Hydroxyprogesteron, sehr ähnlich dem Progesteron, einem wichtigen weiblichen Geschlechtshormon. Das 17-Hydroxyprogesteron hat aber zusätzlich eine Hydroxy(=OH)-Gruppe an der Position 17. Daher der Name.
 
Chemische Formel des Hydroxyprogesterons Chemische Struktur der 17-Hydroxyprogesterons
Die OH-Gruppe, die das 17-Hydroxyprogesteron vom Progesteron unterscheidet, ist rot dargestellt.
   
KURZINFO:
Was ist Hydroxyprogesteron?
Hydroxyprogesteron ist ein Hormon, das von der Struktur her zu den Steroidhormonen zählt (wie z.B. das Testosteron, Östradiol oder Progesteron).

Welche Bedeutung hat das Hydroxyprogesteron?
Normalerweise ist die Konzentration von Hydroxyprogesteron gering. Auch seine biologische Wirkung spielt keine große Rolle.
Interessant ist der Blutspiegel des Hydroxyprogesterons, weil es ein Zwischenprodukt bei der Bildung des Cortisols ist. In der Nebenniere wird aus Cholesterin über mehrere Zwischenstufen Cortisol hergestellt. Und wenn die Cortisolbildung gestört ist, dann häufen sich Zwischenstufen an, so auch das Hydroxyprogesteron.
Daher ist eine erhöhte Konzentration von Hydroxyprogesteron im Blut ein Zeichen für eine gestörte Hormonproduktion in der Nebenniere.

Verinfachtes Schema der Synthese des Cortisols in der Rinde der Nebenniere Das 17-Hydroxy-
progesteron

(=17-OH-
Progesteron)

ist eine  Zwischenstufe bei der Cortisol-
produktion (blaue Schrift).
In grüner Schrift sind verschiedene Enzyme dargestellt, die bei der Produktion von Cortisol gebraucht werden.

 

Bei welcher Störung der Hormonproduktion in der Nebenniere ist das Hydroxyprogesteron erhöht?

Das ist eine bestimmte Erkrankung: Das sog. adrenogenitale Syndrom (AGS). Beim AGS ist eines der Enzyme (Biokatalysatoren), die man zur Cortisolproduktion braucht, defekt. Die Cortisolproduktion ist blockiert, die Zwischenprodukte häufen sich an. Außerdem werden aus den aufgestauten Zwischenprodukten vermehrt männliche Geschlechtshormone (Androgene) produziert.

Schema des 21-beta-Hydroxylasedefekts Schemata des häufigsten AGS
Durch einen Defekt der 21-beta-
Hydroxylase häufen sich
die Stoffe vor dem Defekt an. So auch das Hydroxy-
progesteron (=17-OH-
Progesteron).
Außerdem entstehen vermehrt männliche Hormone (Androstendion, Testosteron, DHEA).

Die Krankheit kommt in zwei Formen vor: schwere Formen führen zu vermännlichten äußeren Geschlechtsteilen beim weiblichen Neugeborenen, leichtere Spätformen werden erst in der Pubertät auffällig (stärkere Behaarung vom männlichen Typ, Unregelmäßigkeiten der Menstruation, ev. Hohlraumbildung in den Eierstöcken (polyzystische Ovarien). Eine anderes Zeichen ist das sog. Salzverlustsyndrom. Näheres dazu siehe weiter unten und im Kapitel "Das adrenogenitale Syndrom".

 

Wann bestimmt man Hydroxyprogesteron im Blut?

  • Bei Verdacht auf ein adrenogenitales Syndrom.
    Dieser kann auftauchen:
     
    • Bei weiblichen Neugeborenen mit vermännlichten äußeren Geschlechtsorganen
    • Bei Neugeborenen beiderlei Geschlechts, wenn es zum sog Salzverlust-Syndrom kommt.
      Seine Zeichen sind starkes Erbrechen, Austrocknung, niedriges Natrium und hohes Kalium in der Blutflüssigkeit. Die Salzverlustzeichen beginnen in der 2. Lebenswoche, aber nur etwa 3/4 aller AGS-Fälle leiden darunter.
       
    • Frühzeitige Pseudopubertät
      Frühzeitiges Auftreten des Schambehaarung (ev. schon mit 2-4 Jahren) aber keine Entwicklung der Brust bei Mädchen. Für das Alter zu groß.
    • Bei Mädchen um die Pubertät oder danach durch Zeichen der   Vermännlichung, Unregelmäßigkeiten des Monatszyklus, Ausbleiben der Regel, mehrere Hohlräume in den Eierstöcken (polyzystische Ovarien).
       
  • Zur Kontrolle der Behandlung eines AGS
    Man behandelt ein AGS meist mit Glukokortikoiden und unterdrückt so die Hormonproduktion in der Nebenniere. Ein Spiegel von Hydroxyprogesteron von unter 4 µg/l (=12 nmol/l) zeigt an, dass die Hormonproduktion ausreichend unterdrückt ist.
    (Das gilt natürlich nur für ein AGS durch 21-Hydroxylasedefekt)

Früher wurde die Bestimmung von Hydroxyprogesteron im Fruchtwasser zur Diagnose eines AGS beim noch ungeborenen Kind eingesetzt. Heute verwendet man hierfür Methoden, die den genetischen Defekt selbst nachweisen (in Zellen des Fruchtwassers oder des Mutterkuchens, von dem man eine Probe nehmen kann).

 

Kann man durch Messung des Hydroxyprogesterons alle Typen von AGS erkennen?

Nein, nur für Defekte der 21-Hydroxylase ist der Blutspiegel des Hydroxyprogesterons ein guter Anzeiger.
Bei Störungen der 11-Hydroxylase kann Hydroxyprogesteron ebenfalls vermehrt sein (muss aber nicht), bei einem Defekt der 3-Hydroxysteroid-Dehydrogenase ist Hydroxyprogesteron sicher nicht erhöht.
Näheres dazu siehe im Kapitel "Das adrenogenitale Syndrom".

 

Ist der Hydroxyprogesteronspiegel im Blut ein verlässlicher Anzeiger eines AGS mit 21-Hydroxylasedefekt?

  • Bei den klassischen, schweren, angeborenen Formen des 21-Hydroxylasemangels ist das Hydroxyprogesteron im Blut stark erhöht.
     
  • Bei den nicht-klassischen, leichteren Spätformen ("Late-Onset"-Form), ist es nicht immer erhöht. Im Zweifelsfall kann man einen Spezialtest, den sog. ACTH-Test durchführen.

    Richtschnur für die nicht-klassischen-Formen des 21-Hydroxylasedefekts:
    (nach D.Dewailly, Seminars in Reproduction Medicine, 2002)

     
    • Ist der Spiegel unter 2 µg/l (=6 nmol/l), dann liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit kein AGS mit 21-Hydroxylasedefekt vor.
       
    • Ist der Spiegel über 4 µg/l (=12 nmol/l), liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Defekt der 21-Hydroxylase vor.

    Manche sprechen sich daher dafür aus, bei Werten unter 2 µg/l den Verdacht auf AGS mit 21-Hydroxylasedefekt zu verwerfen und keine weiteren Tests durchzuführen. Andere meinen, man sollte bei Verdacht auf AGS in jedem Fall einen ACTH-Test durchführen.
    Näheres zum ACTH-Test und zur Diagnose der verschiedenen AGS-Typen siehe im Abschnitt über das adrenogenitale Syndrom.

 

Was muss man bei der Bestimmung von Hydroxyprogesteron beachten?

  • Neugeborene sollten idealer Weise zwischen 48 und 72h nach der Geburt untersucht werden. 
       
  • Bei Mädchen oder Frauen sollte die Blutabnahme in der frühen Follikelphase (also etwa zwischen 3. und 5. Zyklustag) zwischen 8 und 10 Uhr erfolgen.
   
REFERENZ-
BEREICH:
 

(µg/l = ng/ml)

(nmol/l)

Follikelphase
(=1. Zyklushälfte)

0,2 – 1,0

0,6 – 3,0

Lutealphase
(=2. Zyklushälfte)

0,5 – 3,5

1,5 – 10,6

Neugeborene*

2,0 – 8,0

6,1 – 24,2

   Nach 2 Monaten

< 3,5

< 10,6

   Nach 4 Monaten

<1,5

< 4,5

Kinder

0,2 – 1,4

0,6 – 4,2

*Frühgeborene (und unter anderen Krankheiten leidende Neugeborene) zeigen erhöhte Hydroxyprogesteronspiegel ohne dass ein 21-Hydroxylasedefekt vorliegt. Die Referenzbereiche und die Entscheidungsschwelle sind daher an das Geburtsgewicht anzupassen.
Referenzbereiche nach C. Knabbe in "Klinische Endokrinologie für Frauenärzte", 2005.
   
 
Hinweis: aus isolierten, leichten Erhöhungen oder Erniedrigungen von Laborwerten kann man in den allermeisten Fällen keine Schlussfolgerungen auf irgendeine Erkrankung ziehen. Liegen also nur leichte Veränderungen vor, muss keineswegs irgendeine der nachfolgend genannten Erkrankungen oder Veränderungen vorliegen!
ERHÖHUNGEN DES 21-HYDROXY-
PROGESTERONS
IM BLUT:
Adrenogenitales Syndrom mit 21-Hydroxylasedefekt

Durch defekte Gene (Erbanlagen) kommt es zu einem Defekt des Enzyms 21-Hydroxylase. Dadurch staut sich das Zwischenprodukt Hydroxyprogesteron auf (siehe Schema weiter oben). Seine Konzentration im Blut steigt an.

Beim klassischen, schweren angeborenen AGS sind die Werte meist stark erhöht. Bei leichteren Formen (den "nicht-klassischen" Formen) und bei Personen, bei denen nur ein Gen defekt ist (und das andere gesund), den sog. Heterozygoten, sind die Spiegel im Blut aber nur gering oder gar nicht erhöht.
 
Blutspiegel nach Ergebnissen von R.C. Wilson (Journal of Clinical Endocrinology, 1995):

  • Gesunde Frauen haben (bei Blutabnahme in der ersten Zyklushälfte) Hydroxyprogesteronspiegel unter 1 µg/l (= 3 nmol/l).
     
  • Frauen mit nur einem defekten Gen, also die Heterozygoten, haben Spiegel etwa zwischen 0.15 und 5 µg/l (= 0,45 - 15 nmol/l).
     
  • Frauen mit einem nicht-klassischen AGS liegen zwischen 1 und etwa 80 µg/l (= 3 - 242 nmol/l).

Man erkennt, dass sich die Gesunden mit den Heterozygoten und die Heterozygoten mit den nicht-klassischen AGS stark überschneiden.
Diese Gruppen werden besser durch den ACTH-Test getrennt. Bei diesem Test nimmt man Blut ab, gibt man ACTH und nimmt 60 Minuten danach nochmals Blut ab:

Ergebnisse im ACTH-Test von R.C. Wilson (Journal of Clinical Endocrinology, 1995):

  • Gesunde Frauen haben im ACTH-Test nach 60 Minuten Hydroxyprogesteronspiegel unter 2.8 µg/l (= 8.4 nmol/l).
     
  • Frauen mit nur einem defekten Gen (und einem Gesunden) haben beim ACTH-Test Spiegel zwischen etwa 1 und 10 µg/l (= 3 - 30 nmol/l).
     
  • Frauen mit einem nicht-klassischen AGS liegen im ACTH-Test etwa zwischen 10 und 100 µg/l (= 30 - 303 nmol/l).
    Personen mit klassischem Defekt liegen noch weit darüber.

Daher gilt für den Hydroxyprogesteronspiegel im ACTH-Test:

  • ein Anstieg um 2.5 µg/l (7.5 nmol/l) oder mehr spricht für einen Defekt der 21-Hydroxylase.
    Eventuell liegt aber nur ein heterozygoter Defekt vor, der geringe oder gar keine Beschwerden macht.

    Erst ein Spiegel von 10 µg/l (30 nmol/l) oder mehr spricht für einen homozygoten Defekt (d.h. beide Gene defekt).

 

 

Adrenogenitales Syndrom mit 11-Hydroxylasedefekt

Auch bei diesem Defekt können erhöhte Blutspiegel des 21-Hydroxyprogesterons vorkommen. Zur exakten Diagnose eines AGS ist daher die Bestimmung mehrerer Hormone (und meist ein ACTH-Tests) erforderlich. Näheres siehe Kapitel "Adrenogenitales Syndrom".

 

 

Frühgeburten, Erkrankungen des Kindes, Geburtsstress
Erkrankungen des Kindes oder Frühgeburten führen ebenfalls zu erhöhten Blutspiegeln von Hydroxyprogesteron. Für Frühgeburten gelten daher andere Referenzbereiche und andere Entscheidungsgrenzen für die Diagnose eines AGS.
Entscheidungsgrenze für die Diagnose eines AGS Beispiel für Entscheidungsgrenzen für die Diagnose eines AGS mit 21-Hydroxylasedefekt in Abhängigkeit vom Geburtsgewicht
Je geringer das Geburtsgewicht, desto höher die Entscheidungsgrenze.

(Modifiziert nach Allen D.B., Journal of Pediatrics, 1997)

 

   
VERMINDERUNG:
In der Routine keine diagnostische Bedeutung.
   

 

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Letzte Änderung 2005-06-26

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