Was ist Hydroxyprogesteron?
Hydroxyprogesteron ist ein Hormon, das von der Struktur her zu den
Steroidhormonen zählt (wie z.B. das Testosteron, Östradiol oder Progesteron).
Welche Bedeutung hat das
Hydroxyprogesteron?
Normalerweise ist die Konzentration von Hydroxyprogesteron gering. Auch seine biologische
Wirkung spielt keine große Rolle.
Interessant ist der Blutspiegel des Hydroxyprogesterons, weil es ein Zwischenprodukt bei
der Bildung des Cortisols ist. In der Nebenniere wird aus Cholesterin über mehrere
Zwischenstufen Cortisol hergestellt. Und wenn die Cortisolbildung gestört ist, dann
häufen sich Zwischenstufen an, so auch das Hydroxyprogesteron.
Daher ist eine erhöhte Konzentration von Hydroxyprogesteron im Blut ein Zeichen für eine
gestörte Hormonproduktion in der Nebenniere.
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Das 17-Hydroxy-
progesteron
(=17-OH-
Progesteron)
ist eine Zwischenstufe bei der Cortisol-
produktion (blaue Schrift).
In grüner Schrift sind verschiedene Enzyme dargestellt, die bei der Produktion von
Cortisol gebraucht werden. |
Bei welcher Störung der Hormonproduktion in
der Nebenniere ist das Hydroxyprogesteron erhöht?
Das ist eine bestimmte Erkrankung: Das sog. adrenogenitale Syndrom (AGS). Beim AGS ist
eines der Enzyme (Biokatalysatoren), die man zur Cortisolproduktion braucht, defekt. Die
Cortisolproduktion ist blockiert, die Zwischenprodukte häufen sich an. Außerdem werden
aus den aufgestauten Zwischenprodukten vermehrt männliche Geschlechtshormone (Androgene)
produziert.
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Schemata des häufigsten AGS
Durch einen Defekt der 21-beta-
Hydroxylase häufen sich
die Stoffe vor dem Defekt an. So auch das Hydroxy-
progesteron (=17-OH-
Progesteron).
Außerdem entstehen vermehrt männliche Hormone (Androstendion, Testosteron, DHEA).
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Die Krankheit kommt in zwei Formen vor: schwere Formen
führen zu vermännlichten äußeren Geschlechtsteilen beim weiblichen Neugeborenen,
leichtere Spätformen werden erst in der Pubertät auffällig (stärkere Behaarung vom
männlichen Typ, Unregelmäßigkeiten der Menstruation, ev. Hohlraumbildung in den
Eierstöcken (polyzystische Ovarien). Eine anderes Zeichen ist das sog.
Salzverlustsyndrom. Näheres dazu siehe weiter unten und im Kapitel "Das adrenogenitale Syndrom".
Wann bestimmt man Hydroxyprogesteron im
Blut?
- Bei Verdacht auf ein adrenogenitales Syndrom.
Dieser kann auftauchen:
- Bei weiblichen Neugeborenen mit vermännlichten äußeren
Geschlechtsorganen
- Bei Neugeborenen beiderlei Geschlechts, wenn es zum sog
Salzverlust-Syndrom kommt.
Seine Zeichen sind starkes Erbrechen, Austrocknung, niedriges Natrium und hohes Kalium
in der Blutflüssigkeit. Die Salzverlustzeichen beginnen in der 2. Lebenswoche, aber
nur etwa 3/4 aller AGS-Fälle leiden darunter.
- Frühzeitige Pseudopubertät
Frühzeitiges Auftreten des Schambehaarung (ev. schon mit 2-4 Jahren) aber keine
Entwicklung der Brust bei Mädchen. Für das Alter zu groß.
- Bei Mädchen um die Pubertät oder danach durch Zeichen der
Vermännlichung, Unregelmäßigkeiten des Monatszyklus, Ausbleiben der Regel, mehrere
Hohlräume in den Eierstöcken (polyzystische Ovarien).
- Zur Kontrolle der Behandlung eines AGS
Man behandelt ein AGS meist mit Glukokortikoiden und unterdrückt so die Hormonproduktion
in der Nebenniere. Ein Spiegel von Hydroxyprogesteron von unter 4 µg/l
(=12 nmol/l) zeigt an, dass die Hormonproduktion ausreichend unterdrückt ist.
(Das gilt natürlich nur für ein AGS durch 21-Hydroxylasedefekt)
Früher wurde die Bestimmung von Hydroxyprogesteron im
Fruchtwasser zur Diagnose eines AGS beim noch ungeborenen Kind eingesetzt. Heute verwendet
man hierfür Methoden, die den genetischen Defekt selbst nachweisen (in Zellen des
Fruchtwassers oder des Mutterkuchens, von dem man eine Probe nehmen kann).
Kann man durch Messung des
Hydroxyprogesterons alle Typen von AGS erkennen?
Nein, nur für Defekte der 21-Hydroxylase ist der Blutspiegel des
Hydroxyprogesterons ein guter Anzeiger.
Bei Störungen der 11-Hydroxylase kann Hydroxyprogesteron ebenfalls vermehrt sein (muss
aber nicht), bei einem Defekt der 3-Hydroxysteroid-Dehydrogenase ist Hydroxyprogesteron
sicher nicht erhöht.
Näheres dazu siehe im Kapitel "Das
adrenogenitale Syndrom".
Ist der Hydroxyprogesteronspiegel im Blut
ein verlässlicher Anzeiger eines AGS mit 21-Hydroxylasedefekt?
- Bei den klassischen, schweren, angeborenen Formen des
21-Hydroxylasemangels ist das Hydroxyprogesteron im Blut stark erhöht.
- Bei den nicht-klassischen, leichteren Spätformen
("Late-Onset"-Form), ist es nicht immer erhöht. Im Zweifelsfall kann man einen
Spezialtest, den sog. ACTH-Test durchführen.
Richtschnur für die nicht-klassischen-Formen des 21-Hydroxylasedefekts:
(nach D.Dewailly, Seminars in Reproduction Medicine, 2002)
- Ist der Spiegel unter 2 µg/l (=6 nmol/l), dann
liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit kein AGS mit 21-Hydroxylasedefekt vor.
- Ist der Spiegel über 4 µg/l (=12 nmol/l), liegt
mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Defekt der 21-Hydroxylase vor.
Manche sprechen sich daher dafür aus, bei Werten unter 2
µg/l den Verdacht auf AGS mit 21-Hydroxylasedefekt zu verwerfen und keine weiteren Tests
durchzuführen. Andere meinen, man sollte bei Verdacht auf AGS in jedem Fall einen
ACTH-Test durchführen.
Näheres zum ACTH-Test und zur Diagnose der verschiedenen AGS-Typen siehe im
Abschnitt über das adrenogenitale Syndrom.
Was muss man bei der Bestimmung von
Hydroxyprogesteron beachten?
- Neugeborene sollten idealer Weise zwischen 48 und 72h nach der Geburt
untersucht werden.
- Bei Mädchen oder Frauen sollte die Blutabnahme in der frühen
Follikelphase (also etwa zwischen 3. und 5. Zyklustag) zwischen 8 und 10 Uhr erfolgen.
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