Was ist Kreatinin?
Dazu ist es notwendig, zuerst über das Kreatin zu sprechen. Das Kreatin
kommt in den Muskeln des Menschen vor. Es ist ein Stoff, der Energie speichern kann und
bei Bedarf (Muskelarbeit) wieder abgeben kann. Ca. 1-2% des Muskelkreatins werden pro Tag
zu Kreatinin abgebaut. Das Kreatinin ist das Abbauprodukt des Kreatins.
Das Kreatinin hat - soweit bekannt - keine Funktion, es ist eine Art Abfall, der über die
Niere ausgeschieden wird.
Warum misst man Kreatinin im Blut?
Kreatinin wird über die Niere ausgeschieden. Wenn die Niere nicht ordentlich
funktioniert, dann funktioniert auch die Ausscheidung nicht ordentlich. Es wird dann
weniger ausgeschieden. Aus dem Muskel wird aber weiter unvermindert Kreatinin freigesetzt.
Folge: der Spiegel im Blut steigt an. Das Kreatinin im Blut (genauer: in der der
Blutflüssigkeit) ist daher ein Anzeiger für die Funktion der Niere.
Warum gerade Kreatinin?
Es gibt viele Stoffe, die über die Niere ausgeschieden werden, was macht gerade Kreatinin
so geeignet?
- Aus den Muskeln des Körpers wird Kreatinin ziemlich
gleichmäßig frei. Das ist wichtig, denn dadurch hängt der Kreatininspiegel im
Blut wirklich fast nur von der Niere ab.
- Die Niere hat verschiedene Funktionen (siehe Einschub "Die Funktion der Niere"). Zur Beurteilung der
Schwere vieler Nierenkrankheiten ist vor allem die Filtrationsleistung der Niere wichtig.
Und gerade diese Filtration lässt sich mit dem Kreatinin gut testen, weil das Kreatinin
fast ausschließlich filtriert wird. Die Sekretion und Rückresorption haben bei
Kreatinin im Normalfall eine geringere Bedeutung.
Der Kreatininspiegel im Blut hilft daher, auf relativ einfache Weise
die wichtige, sog. glomeruläre Filtrationsrate abzuschätzen. Diese sagt
uns, wieviel Blutflüssigkeit pro Minute von der Niere abfiltriert wird. Diese Filtration
geschieht in den Glomeruli der Niere, daher der Name (siehe Einschub "Die Funktion der Niere")
Die Funktion der Niere
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Hauptaufgaben: entsorgt Abfallprodukte,
reguliert das Körperwasser, reguliert viele andere Stoffe
(z.B. Natrium, Kalium).
Dazu enthält jede Niere ca. 1 Million sog. Nephrons. Eines ist links dargestellt.
In den Nephrons wird das Blut filtriert (Filtration, hellgraue Pfeile),
und zwar in einem Knäuel aus kleinsten Blutgefäßen, dem Glomerulus. Dabei werden pro
Tag 180(!) Liter sog. Primär-Harn (Erst-Harn) abfiltriert. Er enthält außer dem Eiweiß
und den Zellen fast alles, was im Blut ist. Also viel mehr als wir loswerden wollen.
Dieser Primär-Harn fließt dann durch die Nierenröhrchen (Tubuli). Währenddessen
holt sich die Niere aus dem Primär-Harn manche Stoffe und viel Wasser wieder zurück (Rückresorption,
roter Pfeil) und scheidet andere Stoffe zusätzlich aus (Sekretion,
gelber Pfeil). Viele Stoffe werden in den Röhrchen ausgeschieden und dann wieder
rückresorbiert, oder umgekehrt. Dieser scheinbar sinnlose Vorgang ermöglicht eine genaue
Regulation der Ausscheidung eines Stoffes.
Am Ende bleiben dann etwa 1.5 Liter Harn pro Tag übrig.
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Was man bei der Beurteilung des Kreatininspiegels
beachten muss
- Referenzwerte (Normalwerte) beachten
Der Kreatininwert hängt von der Muskelmasse ab. Daher haben muskulösere Menschen höhere
Werte als andere, Männer höhere als Frauen, Kinder andere als Erwachsene und alte
Menschen. Soweit vorhanden muss man den Wert also mit den passenden Referenzwerten vergleichen.
- Fleischreiche Ernährung führt zu (etwas) höheren Werten
Im Fleisch ist nach dem Kochen eine nennenswerte Menge Kreatinin. Unter normalen
Verhältnissen wird das keinen entscheidenden Einfluss auf den Kreatininwert haben, in
Extremfällen kann es ihn erhöhen (Bodybuilder mit großer Muskelmasse und hohem
Fleischkonsum und ev. auch Kreatinkonsum).
- Kreatinin steigt erst bei stärkerer
Nierenfunktionseinschränkung
Die normale Filtrationsmenge der Niere liegt bei etwa 125 ml (= 1/8 Liter) pro
Minute. Erst wenn diese Rate auf etwa 60 - 40 ml/min vermindert ist,
beginnt das Kreatinin im Blut anzusteigen. Dazwischen erkennt man den Nierenschaden nicht.
Man nennt das auch den Kreatinin-blinden Bereich. Zur Früherkennung von
Nierenschäden ist Kreatinin daher nicht geeignet.
- Die Höhe des Kreatinins sagt nur bedingt etwas über das
Ausmaß des Nierenschadens aus
Natürlich ist es schon so, dass bei größerem Nierenschaden ein höheres
Kreatinin auftritt als bei kleinem Schaden. Diese Beziehung ist aber nicht streng, ein
verdoppeltes Kreatinin heißt nicht halbierte Filtrationsrate. Das liegt daran, dass wir
bei eingeschränkter Filtration Kreatinin auch auf andere Weise loswerden können: Die
Niere scheidet Kreatinin dann vermehrt aktiv aus (Sekretion), außerdem wird Kreatinin
dann auch über den Darm ausgeschieden. Das bedeutet, dass man mit dem Kreatininspiegel
das Ausmaß des Nierenschadens unterschätzt.
Das gilt aber auch umgekehrt. Wenn sich unsere Niere nach einem plötzlichen (akuten)
Nierenversagen wieder erholt und die Filtrationsleistung zunimmt, dann sinkt der
Kreatininspiegel anfangs kaum. Eine Verbesserung der Filtrationsrate um 15 ml/min,
was nicht wenig ist, senkt den Spiegel nur um ca. 0.2 mg/dl, was bei hohem Spiegel
sehr wenig ist (Thomas L., Labor und Diagnose, 5.Aufl., TH-Books).
- Kreatinin-Clearance ist aussagekräftiger
Manche der erwähnten Einschränkungen vermeidet man durch Berechnung der Kreatinin-Clearance, bei der man auch die
Harn-Ausscheidung des Kreatinins einbezieht. Die Clearance sagt mehr über die
Nierenfunktion aus als der Kreatininspiegel.
- Harnstoff-Kreatinin-Quotient bringt Zusatzaussagen
Bestimmt man gleichzeitig Harnstoff (bzw. BUN) im Blut kann man den sog. Harnstoff-Kreatinin-Quotienten berechnen,
der die verschiedenen Ursachen des erhöhten Kreatininspiegels unterscheiden helfen kann (siehe unter Harnstoff/BUN).
Welche Beschwerden und Zeichen
(Symptome) bestehen bei erhöhtem Kreatininspiegel?
Nimmt man den Kreatininspiegel und die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) als
Anzeiger für das Ausmaß eines langsam verlaufenden (chronischen) Nierenversagens, dann
kann man grob folgende Einteilung treffen:
(nach G.Bönner u. V.Lent, in W.Kaufmann, Internistische
Differentialdiagnostik, 4.Aufl., Schattauer Verlag.)
Stadium |
GFR*
(ml/min) |
Kreatinin (mg/dl) |
Beschwerden / Symptome |
volle Kompensation |
> 60 |
normal |
keine |
kompensierte Retention |
60-40 |
erhöht; bis 2 |
Appetitmangel, Müdigkeit, Leistungsmangel, Bluthochdruck |
Dekompensation |
40-15 |
bis 10 |
körperliche Schwäche, Gewichtsverlust, Juckreiz |
Urämie (= terminale Niereninsuffizienz,
Harnvergiftung) |
< 15 |
über 10 |
Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Durchfall, Ödeme
(Wassersucht), Lungenödem, Herzbeutelentzündung, Gehirnschäden bis zum Koma |
*Glomeruläre Filtrationsrate: wieviel
Flüssigkeit die Nieren pro Minute durch ihre Filter (die Glomeruli) abfiltern. Kann durch
Messung der sog. Kreatinin-Clearance geschätzt
werden. |
Ab wann muss bei langsam verlaufendem (chronischen) Nierenversagen eine Dialyse
(Blutwäsche) durchgeführt werden?
Da richtet man sich nicht nach dem Kreatininwert. Meist
wird dialysiert, wenn
- Zeichen einer Urämie (Harnvergiftung) vorliegen
(siehe oben),
- eine unbeherrschbare Erhöhung des Kaliums oder
- eine unbeherrschbare Übersäuerung (Azidose)
auftritt,
- wenn Flüssigkeitsüberladung mit Ödemen
(Schwellungen, "Wassersucht") auftritt,
- eine Blutungsneigung vorliegt oder
- die Kreatinin-Clearance (ein ungefähres Maß der
Filtrationsrate) < 10 ml/min ist.
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