Was ist Homocystein?
Chemisch gesehen gehört Homocystein zu der Gruppe der sog. Aminosäuren. Im Körper wird
Homocystein aus Methionin, einer anderen Aminosäure gebildet, die mit der Nahrung
zugeführt wird. Methionin ist vor allem in Fleisch, Wurst und Milchprodukten.
Homocystein wird normalerweise schnell wieder abgebaut, wobei
Vitamin B6 (Pyridoxin), Vitamin B12 (Cobalamin) und Folsäure benötigt werden.
Die wesentliche Aufgabe des Homocysteins liegt bei der Herstellung anderer Aminosäuren,
die für den Aufbau von Eiweißen nötig sind.
Warum ist der Homocysteinspiegel so wichtig?
Homocystein konnte als eigenständiger Risikofaktor für atherosklerotische oder
thromboembolische Ereignisse (periphere arterielle Verschlusskrankheit, Schlaganfall,
koronare Herzkrankheit [Herzenge, Herzinfarkt], verengende Veränderung der
Halsschlagader) identifiziert werden. Bei einer Reihe von weiteren Erkrankungen wie
Altersdemenz, Entwicklung von Neuralrohrdefekten (Spina bifida) des Kindes Mutterleib und
Blutarmut (Anämie) wurde ein Zusammenhang mit erhöhten Homocysteinspiegeln festgestellt.
Sind hohe Homocysteinspiegel Ursache oder Folge der
Erkrankungen?
Untersuchungen zeigen das Vorliegen von erhöhten Homocysteinspiegeln bei Patienten mit
Gefäß-Verschlusskrankheiten. Unbekannt ist jedoch, ob Homocystein diese Veränderungen
tatsächlich verursacht oder ob sich erhöhte Homocysteinspiegel erst im Rahmen der
Gefäßerkrankungen entwickeln.
Vitamine senken den Homocysteinspiegel
Durch Einnahme von Vitaminpräparaten der Gruppe B (Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin B
6) kann der Homocysteinspiegel meist problemlos gesenkt werden.
Mit ersten Ergebnissen von prospektiven (vorausschauenden) Studien, die eindeutig den
vorteilhaften Langzeiteffekt der Vitaminzufuhr und damit der Senkung des
Homocysteinspiegels beweisen sollen, ist in Kürze zu rechnen.
Nach einer Untersuchung, die man in den USA durchgeführt hat, könnten, vorausgesetzt
Homocystein ist der tatsächliche Risikofaktor, jährlich 50.000 Todesfälle durch
koronare Herzkrankheit mit Nahrungsumstellung und Folsäureergänzung vermieden werden.
Folsäure in der Nahrung
Bei ausgewogener Ernährung nimmt der Westeuropäer etwa 300 µg Folsäure auf. Diese
Menge entspricht nur der Hälfte dessen, was zu einer Homocysteinsenkung mindestens
notwendig wäre (nämlich 600-800 µg). 300 µg sind auch zu wenig, um mögliche
Neuralrohrdefekte beim ungeborenen Kind zu verhindern. Deshalb fordern einige
amerikanische Autoren bereits jetzt eine höhere Lebensmittelanreicherung mit Folsäure
(in den USA ist eine Anreicherung bereits gesetzlich vorgeschrieben) und erhoffen sich
davon beträchtliche krankheitsverhütende Wirkungen auf die Bevölkerung.
Sollten sich die Erwartungen bestätigen, würde das
für eine große Anzahl von Patienten die Möglichkeit einer einfachen und effektiven
Beeinflussbarkeit ihrer Gefäßerkrankung bedeuten.
Obwohl manche Lebensmittel relativ viel Folsäure enthalten, reicht
die mit der Nahrung aufgenommene Menge meist nicht aus, um den Homocysteinspiegel zu
senken. Das liegt auch daran, dass nur ein Teil der in der Nahrung enthaltenen Folsäure
aufgenommen wird und es darüberhinaus Verluste bei der Speisenzubereitung gibt.
Wann ist eine Untersuchung des Homocysteinspiegels nach den
derzeitigen Erkenntnissen sinnvoll?
Bei Patienten mit frühzeitiger Atherosklerose ("Verkalkung") der Herz-,
Gehirn-, Bein- und Halsgefäße, bei Patienten mit Zustand nach Herzinfarkt oder
Schlaganfall und bei Patienten mit unklaren thromboembolischen Ereignissen
(Gefäßverschlüsse durch Blutgerinnsel). Auch zur Abklärung eines Vitamin B12-, B6-
oder Folsäuremangels kann eine Homocysteinbestimmung beitragen. Manche halten eine
Bestimmung im Rahmen einer Gesundenuntersuchung als für sinnvoll.
Die Atherosklerose ("Gefäßverkalkung") mit Folgen wie
Herzinfarkt oder Schlaganfall ist eine der Haupttodesursachen in den westlichen
Industrienationen. Welche Rolle spielt Homocystein bei der Entwicklung dieser
Erkrankungen?
Die Hauptrisikofaktoren sind nach wie vor fettreiche Ernährung, Hypercholesterinämie,
Rauchen und Bluthochdruck. Kürzlich wurde Homocystein als zusätzlicher Risikofaktor
identifiziert.
Den Anfang machten Untersuchungen bei Kindern mit einer ererbten Stoffwechselerkrankung,
die mit extrem erhöhten Homocysteinspiegeln einhergeht. Diese Patienten zeigen oft
frühzeitige Gefäßverschlusserkrankungen. In jüngster Zeit konzentrierte sich die
Forschung auf nur leicht erhöhte Homocysteinspiegel, die mittlerweile als Risikofaktoren
für die Entwicklung von Gefäß-Verschlusserkrankungen gelten.
Wieviele Patienten mit Atherosklerose
("Gefäßverkalkung") weisen erhöhte Homocysteinspiegel auf?
In einer großen europäischen Studie wurde das obere Fünftel einer gesunden
Kontrollgruppe als erhöhte Homocysteinwerte definiert. Es konnte gezeigt werden, dass
etwa 30 bis 40 % der Patienten mit Atherosklerose erhöhte Homocysteinspiegel
aufwiesen.
Liegt die Hyperhomocysteinämie bei einigen Patienten auch
als alleiniger Risikofaktor vor?
Die Hyperhomocysteinämie ist ein eigenständiger Risikofaktor, verstärkt aber auch die
Wirkung von anderen Risikofaktoren. Ob Homocystein allerdings ein ursächlicher
Risikofaktor oder nur ein Indikator für unbekannte Risikofaktoren ist, ist - wie oben
erwähnt - noch unsicher.
Welche Umstände führen zu einer Erhöhung der
Homocysteinspiegel?
Die Hauptursache ist ein Mangel an Folsäure, Vitamin B12 und vielleicht auch Vitamin B6
in der Nahrung (wenig Gemüse) bei gleichzeitig methioninreicher (fleischreicher)
Ernährung. Darüber hinaus gibt es weitere Faktoren wie Nierenkrankheiten,
Schilddrüsenunterfunktion, Alkohol und bestimmte Medikamente. Zusätzlich gibt es auch
genetisch bedingte Ursachen.
Wie können erhöhte Homocysteinspiegel behandelt werden?
Sehr einfach, mit zusätzlicher Zufuhr des jeweils mangelnden Vitamins. Durch
Folsäureeinnahme konnten erhöhte Homocysteinspiegel um 30 % gesenkt werden. Die
anderen Vitamine
(Vitamin B12 und B6) haben lediglich einen geringen Effekt.
Ist eine Vitamingabe bei erhöhtem Homocysteinspiegel
notwendig, oder können die Patienten auch spezielle Nahrungsmittel zu sich nehmen, um die
Homocysteinspiegel zu reduzieren?
Bei erhöhten Homocysteinkonzentrationen ist der Gehalt in der Nahrung nicht hoch genug,
um die Homocysteinspiegel zu normalisieren. In diesen Fällen sollte eine medikamentöse
Zufuhr der Vitamine vorgenommen werden.
Was kann man tun, um einen erhöhten Homocysteinspiegel zu
verhindern?
Die beste Vorbeugung ist der Verzehr von Nahrungsmitteln, die reich an Folsäure und
Vitamin B12 sind. Hierunter fallen Getreideprodukte, grünes Gemüse und Früchte. In den
USA sind viele Frühstücksgetreideprodukte mit Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin B6
angereichert. Ursprünglich sollten durch diese Anreicherungen vor allem Fehlbildungen des
ungeborenen Kindes - z.B Neuralrohrdefekte - verhindert werden.
Wie ist der Normalwert von Homocystein?
Angegeben wird die Konzentration von Homocystein in Mikromol per Liter (µmol/l).
Homocystein kann mit verschiedensten Methoden gemessen werden. Die Ergebnisse sind aber
sehr gut untereinander vergleichbar, sodass die Art der Messung keinen wesentlichen
Einfluss auf das Ergebnis hat. Die gesunde Bevölkerung hat Homocysteinwerte zwischen 6
und 12 µmol/l, die allerdings mit zunehmendem Alter ansteigen. Um das Risiko zu
minimieren, sollte man die Werte unter 10 µmol/l senken, besonders nach einem
Herzinfarkt, da nach einer neueren Studie die Lebenserwartung in diesem Bereich am
höchsten war. |