Woher kommt die
Harnsäure im Blut?
In Zellen sind viele Stoffe, die chemisch betrachtet ein Purin-Grundgerüst haben.
Purinkörper bestehen aus 2 stickstoffhaltigen Ringen. Sie finden sich z.B. im genetischen
Material der Zellen (DNS, RNS) und in Energieträgern (ATP, GTP). Beim Abbau all dieser
Stoffe kann Harnsäure entstehen.
- Der größere Teil der Harnsäure des Blutes entsteht durch den Abbau
körpereigener Purinkörper (z.B. beim Abbau von Zellen).
- Der etwas kleinere Teil der Harnsäure entsteht aus den mit der
Nahrung zugeführten Purinkörpern (bes. in Fleisch und Innereien sind Purinkörper).
Die Harnsäure ist das Endprodukt der Purinkörper. Sie wird beim
Menschen nicht mehr weiterverarbeitet sondern nur mehr ausgeschieden.
Wo wird Harnsäure hergestellt und wo
ausgeschieden?
Gebildet wird sie praktisch nur in der Leber und im Dünndarm.
Der größte Teil der anfallenden Harnsäure wird über die Niere in den Harn, ein kleiner
Teil über den Darm ausgeschieden.
Warum hat man zu hohe
Harnsäurespiegel?
Prinzipiell kann daran schuld sein:
- eine zu hohe Eigenproduktion (seltene Erkrankungen)
- eine zu geringe Ausscheidung in der Niere
(häufigste Ursache! z.B. bei Gicht)
- eine zu hohe Purinkörper- oder Alkoholzufuhr in der Nahrung
(häufige Zusatzfaktoren)
- vermehrter Zellabbau (z.B. Leukämien)
- und natürlich eine Kombination dieser Ursachen
Über die Ursachen im einzelnen siehe unter Hyperurikämie
weiter unten.
Schematische Darstellung des
Harnsäurestoffwechsels, der Ursachen von Erhöhungen und der Behandlungsmöglichkeiten
Was ist Gicht, welche Zeichen hat sie und
wie stellt man die Diagnose?
- Definition
Gicht ist eine Purinstoffwechselstörung, bei der es zu Ablagerungen von Harnsäure-Salzen
an verschiedenen Stellen des Körpers, besonders im Bereich der Gelenke kommt.
- Zeichen
Der Gichtanfall (die akute Gichtarthritis = Gicht-Gelenksentzündung): Manchmal ausgelöst
durch geringe Verletzungen, übermäßiges Essen oder Alkoholexzesse, Stresssituationen,
Infektionen, Fasten oder andere Belastungen. Beginn meist in der Nacht, meist nur in einem
Gelenk und zwar im Grundgelenk der großen Zehe. Zunehmend stärker werdender Schmerz,
Schwellung, Rötung und starker Schmerz bei Berührung. Dazu können Fieber,
Schüttelfrost und Laborzeichen der Entzündung kommen (Erhöhung der weißen
Blutkörperchen, CRP-Erhöhung). Dauer einige Tage bis 2
Wochen. Bei neuerlichen Anfällen können mehrere Gelenke gleichzeitig oder hintereinander
betroffen sein. Zwischen den Anfällen anfangs keine Beschwerden.
Die befallenen Gelenke: meist Großzehengrundgelenk
(80% der Fälle; sog. Podagra), seltener Sprunggelenk, Fußwurzelgelenk, Kniegelenk
(Gonagra), Handgelenke (Chiragra) oder Schultergelenk.
|
Gicht des Großzehengrundgelenks
(Podagra)
Teigige Schwellung, Rötung, Schmerz, Druckschmerz, Erwärmung |
Im Verlauf der Erkrankung entstehen auch an der Haut
(z.B. am Ohr) sichtbare Gichtknoten, in denen Harnsäurekristalle abgelagert sind.
|
Gichtknoten an der Ohrmuschel
Harnsäureablagerungen führen zu Gichtknoten. Unter Therapie kann es
langfristig zur Rückbildung kommen. |
Ablagerungen in der Niere können zu Nierenschäden
führen, auch echte Nierensteine können auftreten.
- Diagnose
Die Beobachtung der oben beschriebenen Zeichen und die Schilderung des Patienten ist
wichtig, ein erhöhter Harnsäurespiegel ist ein weiteres Indiz, ebenso laborchemische
Entzündungszeichen. Entscheidend kann der Nachweis von Harnsäure-Kristallen in der
Gelenksflüssigkeit sein.
|
Harnsäure-Nadeln
Bei der Untersuchung der Gelenksflüssigkeit im Mikroskop finden sich nadelförmige
Harnsäurekristalle. |
Im Röntgen und an der Haut sieht man beim ersten Anfall in der Regel noch nichts.
Früher hat man noch die heilende Wirkung des Medikaments Colchizin bei
Gichtanfällen als Hilfsmittel zur Diagnose angesehen, dies halten aber heute viele für
überholt.
Gicht betrifft fast nur Männer, wenn Frauen, dann nach dem Wechsel.
Verwandte von Gichtkranken haben ein höheres Risiko an Gicht zu erkranken.
Wie häufig kommt ein zweiter
Gichtanfall?
Über 90% aller Patienten bekommen zumindest einen weiteren Anfall, der aber auch erst
einige Jahre nach dem ersten auftreten kann.
Dauer zwischen erstem
und zweitem Gichtanfall |
Anteil der Patienten |
1 Jahr |
62% |
1 bis 2 Jahre |
16% |
2 - 5 Jahre |
11% |
5 - 10 Jahre |
6% |
kein zweiter Anfall in 10 Jahren |
7% |
Hat jeder, der Gicht hat, erhöhte
Harnsäurespiegel?
Nein. Bei einem Gichtanfall findet man in den meisten Fällen, aber eben
nicht in jedem Fall einen erhöhten Harnsäurespiegel.
Hat jeder, der erhöhte
Harnsäurespiegel hat, Gicht?
Auch das nicht. Etwa jeder sechste Mann hat einen Harnsäurespiegel über
7 mg/dl, also einen Wert über dem Idealwert. Aber nur etwa einer von 400 Männern
bekommt Gicht.
Was bedeuten dann erhöhte
Harnsäurespiegel?
Erhöhte Harnsäurespiegel stellen einen Risikofaktor da Gicht zu
bekommen. Je höher der Harnsäurespiegel, desto höher das Risiko.
Harnsäurespiegel |
Häufigkeit einer Gicht-
Gelenksentzündung |
mg/dl |
µmol/l |
|
kleiner als 6.0 |
kleiner als 357 |
einer von 166 |
6.0 - 6.9 |
357 - 410 |
einer von 52 |
7.0 - 7.9 |
416 - 470 |
einer von 6 |
8.0 - 8.9 |
476 - 529 |
einer von 4 |
größer oder gleich 9.0 |
größer oder gleich 535 |
9 von 10 |
Fallweise wurden erhöhte Harnsäurespiegel als
Risikofaktor für Gefäßerkrankungen ("Gefäßverkalkung",
"Arteriosklerose") genannt. Sie dürften aber kein eigenständiger Risikofaktor
sein.
Wann sollte man einen erhöhten
Harnsäurespiegel senken?
Da gehen die Meinungen doch etwas auseinander, auch ist die spezielle Situation des
Patienten zu berücksichtigen. Ihr behandelnder Arzt muss dies für Sie entscheiden.
Grobe Leitlinien:
- Bei leicht erhöhten Werten, also Werten unter 9.0 mg/dl
(535 µmol/l), und Fehlen irgendwelcher Krankheitszeichen genügen
Ernährungsempfehlungen.
- Eine medikamentöse Therapie wird erst bei Harnsäurewerten über
9.0 mg/dl (535 µmol/l) oder beim Auftreten von Folgen der
hohen Harnsäure (z.B. Gichtanfälle, Nierensteine [Uratsteine], Gichtknoten) für
notwendig erachtet. Ziel wird es dann sein, den Harnsäurespiegel auf einen Wert um
5 mg/dl (297 µmol/l) einzustellen.
- Eine lebenslange Therapie nach nur einem Gichtanfall als einziges
Zeichen halten viele für nicht gerechtfertigt.
Wie sieht eine purinarme Diät aus?
Prinzipiell muss man purinreiche Nahrung vermeiden:
- sehr viel Purine: Innereien (Bries, Leber, Niere,
Herz), Anchovis, Heringe, Sardinen, Makrelen, Muscheln
- viel Purine: Fleisch und Fische (außer im obigen
Punkt erwähnte)
- wenig Purine: Gemüse (Ausnahme: Hülsenfrüchte
[Erbsen, Bohnen, Linsen] und Spinat sind relativ purinreich), Weißbrot (Vollkornprodukte
haben mehr Purine)
- keine oder fast kein Purine: Milchprodukte, Reis,
Nudeln, Eier, Butter, Öl, Wein, Kaffe, Tee
Daneben sollte man Alkoholika vermeiden: manche (ausgerechnet Bier)
enthalten Purine, alle Alkoholika können den Harnsäurespiegel erhöhen, weil die
Ausscheidung in der Niere behindert wird.
Hilft die Diät, den Harnsäurespiegel
zu senken?
In manchen Fällen kann man den Harnsäurespiegel durch eine Diät ausreichend senken. In
vielen Fällen wird es nicht ausreichend sein. Dazu kommt, dass in vielen Fällen eine
medikamentöse Behandlung leichter verwirklichbar sein wird. Die zur Verfügung stehenden
Medikamente wirken sehr gut, wogegen eine wirksame Diät nicht leicht einzuhalten ist. Die
Bedeutung der Diät für die Behandlung der Gicht ist daher kleiner geworden.
Da Gichtkranke aber häufig auch noch an zu hohen Blutfetten, Übergewicht,
Zuckerkrankheit leiden, wird eine entsprechende Diät dennoch in vielen Fällen sinnvoll
sein.
Was bringt eine Behandlung?
Ziel der Behandlung ist die Senkung der Häufigkeit von Gichtanfällen sowie die
Vermeidung von Komplikationen (v.a. Nierenschäden, Nierensteine, Gelenkszerstörungen und
Gichtknoten).
Können sich Folgen der erhöhten
Harnsäure unter Therapie wieder zurückbilden?
Ja, unter medikamentöser Dauertherapie können sich einige Veränderungen wieder
zurückbilden. Gichtknoten können sich nach Jahren zurückbilden, auch Nierensteine
können sich wieder auflösen. Gelenksveränderungen können sich bessern. Schwere
Gelenksveränderungen und schwere Nierenschäden sind natürlich nicht
rückbildungsfähig, sollten aber heutzutage durch rechtzeitige Behandlung gar nicht mehr
vorkommen. |