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Untersuchung der Milzfunktion

Univ.Prof.Dr.med. Wolfgang Hübl
 

ZUSAMMENFASSUNG

Die Milz ist nur ca. 12x8x4cm groß und liegt an der linken Körperseite unter den Rippen. Sie ist DAS Blutfilter des Menschen: Blut wird in ihr schwammähnliches Maschenwerk gepumpt, dort warten schon Fresszellen und beseitigen alte oder defekte rote Blutkörperchen (=Erythrozyten). Aber auch auf im Blut schwimmende Infektionserreger (Bakterien, Malariaerreger) warten schon spezielle Abwehrzellen, die Antikörper produzieren oder die Erreger fressen. Besonders für die Bekämpfung kapseltragender Bakterien (Meningokokken, Pneumokokken) ist die Milz wichtig. Daher ist eine Entfernung der Milz nicht so unproblematisch, wie früher angenommen: Ohne Milz können schwerste Infektionen auftreten, auch das Risiko für Blutgefäßverstopfungen ist erhöht. Die Funktion der Milz fehlt aber nicht nur nach Milzentfernungen, auch einige Krankheiten haben als Begleiterscheinung eine verminderte Milzfunktion (Z.B. unbehandelte Zöliakie Erwachsener, Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, Leberzirrhose, Autoimmunerkrankungen...).  Auch dann besteht erhöhtes Risiko schwere Infektionen zu erleiden. Um der Gefahr schwerer Infektionen vorzubeugen, kann man gegen manche Erreger impfen und man muss bei verminderter Milzfunktion raschest mit Antibiotika behandeln, falls eine Infektion eintritt. In Spezialfällen wird sogar eine vorbeugende Antibiotika-Dauertherapie empfohlen. Davor ist aber wichtig, eine verminderte Milzfunktion zu erkennen. Nach Milzentfernung wird meist eine Milzunterfunktion bestehen, hingegen muss man bei den anderen Erkrankungen, die eine Milzunterfunktion mit sich bringen können, spezielle Tests anwenden, um diese Unterfunktion auch zu erkennen. Die meisten dieser Tests beruhen darauf, diejenigen roten Blutkörperchen im Blut zu zählen, die die Milz eigentlich entfernen sollte. Besteht eine Milzunterfunktion, hat man mehr von diesen im Blut. Am besten etabliert ist die Messung der sog. Pitted Erythrozyten. Das sind Erythrozyten, die Abfallbläschen in sich tragen. Ein Gesunder hat höchstens 4% von diesen, nach Milzentfernung sind es etwa 30%. Aber auch bei Zöliakie wurden ähnlich hohe Werte gefunden.

NAME

Ableitung des Namens "Milz" nicht völlig klar, es könnte einer alten deutschen Bezeichnung bedeutend "die Weiche" entstammen - was der Beschaffenheit des Organs entsprechen würde.
 

AUFBAU UND FUNKTIONEN DER MILZ

 
Zur Auswahl auf den Text klicken Lage, Größe, Gewicht und Blutversorgung der Milz
Zur Auswahl auf den Text klicken Die wichtigsten funktionellen Strukturen der Milz
  Funktionen der Milz
Zur Auswahl auf den Text klicken     Abbau alter und defekter roter Blutkörperchen
Zur Auswahl auf den Text klicken     Speicherung roter Blutkörperchen und Blutplättchen
Zur Auswahl auf den Text klicken     Milz ist wichtiger Teil des Immunsystems
Zur Auswahl auf den Text klicken     Andere Funktionen der Milz
   

Wo ist die Milz? Größe, Gewicht, Blutversorgung?

Die Milz befindet sich "links auf der Seite", im obersten Bereich des Bauchraumes. Sie liegt den Rippen von innen an (siehe Abbildungen).
Milz von links Milz von vorne

In der Abbildung links sieht man die Milz links seitlich zwischen der 9. und 11. Rippe liegend. Auf dem Bild oben, von vorne betrachtet, sieht man sie kaum, sie ist größtenteils vom Magen verdeckt.

Größe und Gewicht

Die normale Milz ist etwa 12 cm lang, 8 cm breit und 4 cm dick, das Gewicht wird recht unterschiedlich angegeben, meist zwischen 100 und 250 g. Die Milz hat zahlreiche Hohlräume - sie wird manchmal mit einem weichen Schwamm verglichen. Ihr Gewicht hängt wesentlich von der Blutfülle ab.

Blutversorgung

Die Blutversorgung kommt aus der Hauptschlagader, der Aorta, über die Milzarterie. Der Blutabfluss erfolgt über die Milzvene und Pfortader in die Leber. Etwa 360 Liter Blut fließen täglich durch die Milz (Zum Vergleich: Blutdurchfluss der Leber ca. 2000 Liter pro Tag).
(Oguro A., Ann Nucl Med. 1993; Yzet T.; Eur J Radiol. 2010)
     

Die wichtigsten Strukturen der Milz

Wenn man eine Milz durschneidet, ist die Schnittfläche großteils rot bis dunkelrot (sog. rote Pulpa). Vereinzelt sieht man weiße Pünktchen (sog. weiße Pulpa). In der roten Pulpa finden sich vorwiegend rote Blutkörperchen, in der weißen vorwiegend weiße Blutkörperchen und zwar insbesondere Lymphozyten.
Interessanter werden diese Dinge, wenn man den funktionellen Aufbau der Milz betrachtet:
 
Schema der Milz Milzschema
Arterien (rot) leiten Blut in die Milz.
Die Milzkapillaren haben offene Enden.
Sie "schütten" das Blut in von Bindegewebsfasern durchzogene Hohlräume der schwammartigen Milz. Ein Schwamm der Blut enthält. Dieser Bereich ist voll roter Blutkörperchen und wird rote Pulpa genannt.
Wenn die roten Blutkörperchen wieder aus der Milz hinaus wollen, müssen Sie in die Milzsinus übertreten. Diese haben aber nur schmale Schlitze, durch die sich die roten Blutkörperchen zwängen müssen.
Schema der Milz mit Erythrozyten Schema der Milz mit roten Blutkörperchen
Weniger übersichtlich, dafür wird aber verständlich, warum diese Areale rote Pulpa heißen.
Anmerkung: Die Blutkörperchen in der roten Pulpa scheinen auf der Abbildung dichter als in den Arterien und Venen. Das ist auch so, in der roten Pulpa sind die roten Blutkörperchen konzentriert ("verdichtet").

Der offene Blutkreislauf der Milz

Die Milz hat im Vergleich zu den anderen Organen eine Besonderheit: ihren offenen Blutkreislauf. In anderen Organen, wie zum Beispiel im Muskel, kommt das vom Herzen kommende Blut über die größeren Arterien in kleinere Arterien bis es in den ganz dünnen Kapillaren fließt. Diese Kapillaren gehen in kleinere Venen über, diese in größere Venen und so kommt das Blut dann wieder zurück. Es ist also ein geschlossenes Gefäßsystem. Anders in der Milz: die Milzkapillaren sind nicht mit den Milzsinus verbunden. Die Kapillaren schütten das Blut in durch Bindegewebe durchzogene Hohlräume (rote Pulpa). Von dort gelangen die roten Blutkörperchen nur relativ langsam durch enge Schlitze in die Milzsinus und von diesen in die Venen der Milz und wieder zurück Richtung Herz. Es liegt also ein offener Kreislauf vor, mit einer Art Zwischenspeicherung der roten Blutkörperchen in der roten Pulpa der Milz.
Anmerkung: es wurde und wird diskutiert, ob es daneben auch einen nennenswerten "normalen", geschlossenen Kreislauf in der Milz gibt. Der klar dominierende Kreislauf dürfte in jedem Fall der offene sein (Steiniger B.S., Immunology, 2015).

Die weiße Pulpa

Wie schon weiter oben erwähnt, sieht man nach Aufschneiden einer Milz auf der Schnittfläche weiße Punkte. Bei mikroskopischer Untersuchung merkt man, dass es sich um Ansammlungen weißer Blutkörperchen handelt. Genauer gesagt vorwiegend um Lymphozyten. Diese bilden einerseits Ummantelungen kleinerer Arterien (PALS, peri-arterial lymphatic sheath) und andererseits kugelähnliche Gebilde (Lymphfollikel), bis zu einem halben Millimeter im Durchmesser. Beide Strukturen zählen zur weißen Pulpa.
 
Komponenten der weißen Pulpa Weiße Pulpa der Milz
Schematisch dargestellt die Ansammlungen der Lymphozyten in der Milz:
Einerseits als periarterielle lymphatische Hülle (engl. peri-arterial lymphatic sheath, PALS), die die kleine Arterie (rot) ummantelt. Andererseits kugelige Ansammlungen  - die Lymphfollikel.
In den Hüllen finden sich vorwiegend T-Lymphozyten, in den Lymphfollikeln überwiegen die B-Lymphozyten.
Neben den Lymphozyten gibt es in der weißen Pulpa natürlich auch eine Reihe anderer Zellen (z.B. Fresszellen = Makrophagen, oder sog. Dendritische Zellen). Viele helfen der Immunabwehr, bei einigen ist die genaue Bedeutung noch unklar. 

Anmerkung: wenn man sich in verschiedenen Quellen über den Aufbau und die Funktion der Milz informiert, findet man recht unterschiedliche Darstellungen: einmal haben die PALS eine zweite Schicht (Marginalzone), einmal nicht. Manche beschreiben auch einen geschlossenen Gefäßkreislauf, nicht nur einen offenen, .... Zwei Faktoren tragen zu diesen Differenzen bei: einerseits ist tatsächlich noch manches unklar und unerforscht, andererseits sind viele wissenschaftliche Ergebnisse und auch graphische Darstellungen nicht von der menschlichen Milz sondern von einer Nagetiermilz. Und der Aufbau der Milz beim Menschen unterscheidet sich doch deutlich von dem bei Nagetieren (Steiniger B.S., Immunology, 2015).

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Abbau alter und defekter roter Blutkörperchen

Rote Blutkörperchen werden im Knochenmark gebildet und leben etwa 120 Tage. Etwa 1% unserer roten Blutkörperchen wird pro Tag abgebaut (Das sind ca. 300 Milliarden rote Blutkörperchen pro Tag!). Für den Abbau ist vor allem die Milz zuständig. Nicht nur alte, auch defekte rote Blutkörperchen werden von der Milz entfernt.

Warum die Milz so gut zum Abbau der roten Blutkörperchen geeignet ist

Wie weiter oben schon beschrieben, besteht in der Milz kein geschlossener Blutkreislauf, in dem das Blut rasch von der Arterie über die Kapillaren in die Venen abfließt. Das Blut wird in der Milz aus offenen Kapillaren in die Räume der roten Pulpa "geschüttet, verweilt dort einige Zeit. Und dort warten schon Fresszellen (Makrophagen), die alte und beschädigte Blutkörperchen fressen.
 
In der rote Pulpa fressen Makrophagen alte oder defekte rote Blutkörperchen
Aus den Milzkapillaren (rot) kommen rote Blutkörperchen in die rote Pulpa. Alte oder defekte Blutkörperchen werden von den Fresszellen (Makrophagen; hier grau mit dunkelblauem, kleinem Zellkern symbolisiert) aufgenommen und abgebaut bevor sie die rote Pulpa über die Milzsinus (blau, strichliert) wieder verlassen können.
 
Außerdem kommen die roten Blutkörperchen aus den Räumen der roten Pulpa gar nicht so leicht heraus:  die Milzsinus (in der Abbildung oben blau), über die sie wieder die Milz  wieder verlassen könnten, haben keine großen Öffnungen sondern bilden nur fallweise schmale Schlitze von maximal 0.5 µm Breite. Durch diese müssen sich die roten Blutkörperchen mühsam durchzwängen (sie sind ja ca. 2 µm dick). Alte rote Blutkörperchen, die nicht mehr so verformbar sind, kommen umso schwerer durch die Schlitze und sind den Fresszellen länger ausgeliefert.

   

Die Sinus der Milz, genauer betrachtet
So einfach, wie in der obigen Abbildung, ist die Wand eines Milzsinus nicht gebaut. Die folgende Abbildung eines kurzen Abschnitts eines Milzsinus ist schon näher an der Realität:
Milzsinus, ein Ery möchte gerade aus der rote Pulpa in den Milzsinus und dann aus der Milz heraus Die Zellen, die die Wand eines Milzsinus bilden, sind länglich (hier horizontal dargestellt, eine Art Rohr bildend).
Zwischen den Zellen können schmale Schlitze entstehen, durch die sich junge rote Blutkörperchen durchzwängen können. Ältere oder defekte rote Blutkörperchen können das nicht so gut.
Die ovalen dunkelgrauen Punkte an den Zellenden rechts sollen Fasern darstellen, die in den Wandzellen längs laufen. In einer Zelle ist der Verlauf dieser Fasern mit zwei strichlierten Linien dargestellt. Diese engl. "Stressfiber" genannten Strukturen können sich straff zusammenziehen oder "locker lassen"  und so die Breite der Schlitze zwischen den Zellen regulieren helfen. So zumindest die Vorstellung.
Der graue Ring von oben nach unten symbolisiert einen den Milzsinus zusammenhaltenden Faserstrang.

Woran erkennt die Fresszelle ein altes rotes Blutkörperchen

Obwohl die jungen Erys die rote Pulpa der Milz leichter verlassen können, sind natürlich auch viele junge Erys in der roten Pulpa. Es wäre schade, wenn die Fresszellen junge Erys unnötigerweise auffräßen. Es wäre also praktisch, wenn es da ein Erkennungsmerkmal für das Alter auf den Erys gäbe. Erstaunlicherweise weiß man auch heute noch nicht exakt, welche Zeichen da wichtig sind. Es gibt einige Theorien dazu. Den meisten gemeinsam ist, dass sich auf der Oberfläche der alternden Erys etwas ändert, das Fresszellen anlockt/aktiviert. Viele favorisieren heute eine Theorie, nach der sich bei alten Erys bestimmte Eiweißstoffe (das sog. Band 3 Protein) auf der Oberfläche so verändern, dass sich natürliche Antikörper auf die alten Erys setzen und damit ihr Gefressen-Werden auslösen (Lutz H.U., Bogdanova A., Frontiers in Physiology, 2013).

Welche defekten/abnormen Erythrozyten entfernt die Milz?

In der Tabelle unten finden Sie einige Erythrozyten, die die Milz normalerweise entfernt. Diese Zellen findet man daher nur sehr selten im Blut. Funktioniert die Milz nicht, treten diese Zellen vermehrt im Blut auf. Manche können so als Zeichen für eine verminderte oder fehlende Milzfunktion dienen.
 
Normaler Erythrozyt Ery mit Howell-Jolly-Körperchen Ery mit Pappenheimer-Körperchen
Normaler Erythrozyt zum Vergleich. Wird nur entfernt, wenn er alt ist. Ery mit Kernresten (Howell-Jolly-Körperchen). Reife Erys haben keinen Kern mehr, manchmal bleiben aber Reste zurück. Näheres weiter unten. Eisenhaltige Strukturen im Ery, sog. Pappenheimer-Körperchen.
     
Pitted Ery, also Ery mit Abfallbläschen Target-Zelle Akanthozyt, deformierter Ery
Ein sog. "Pitted" Erythrozyt. Nur mit einer Spezialoptik sind die kraterartigen Einziehungen zu erkennen. Solche Erys sind besonders wichtig für die Beurteilung der Milzfunktion. Näheres weiter unten. Target-Zellen (= Schießscheibenzellen). Akanthozyten - Erys mit plumpen und unregelmäßigen Fortsätzen

Die Milz kann Erythrozyten auch reparieren

Erys mit Einschlüssen müssen nicht beseitigt werden, die Fresszellen können die Einschlüsse auch entfernen, ohne dass der ganze Ery gefressen wird. Den Vorgang nennt man "Pitting", was man mit "Entkernen" übersetzen könnte.

Werden die Thrombozyten (die Blutplättchen) auch in der Milz abgebaut?

Ja, aber für den Abbau der Blutplättchen spielt auch die Leber eine bedeutende Rolle.

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Die Milz dient als Speicher für rote Blutkörperchen und Blutplättchen

Die Speicherung der roten Blutkörperchen, also der Erythrozyten, in der Milz ist eine hochinteressante Funktion. Manche Tiere, z.B. Seehunde können bis zu 50% ihrer Erythrozyten in der Milz speichern. Bei großen Seehunden können das 20 Liter sein. Wozu? Zum Beispiel zum Tauchen. Die Milz ist gewissermaßen die Sauerstoffflasche der Seehunde: Die sauerstoffbeladenen Erys werden in der Milz gespeichert.  Die Milz dieser Tiere hat in ihrer Kapsel einige Muskelfasern, sie kann sich zusammenziehen: beim Tauchen presst die Milz die Erys in der Blutkreislauf.
Auch Hunde und Pferde können in ihrer Milz relativ viel Blut speichern. Da dient es als eine Art Blutdoping bei großen Belastungen (z.B. bei schnellem Laufen). Das macht absolut Sinn. In Ruhe braucht man nicht so viele Sauerstoffträger im Kreislauf. Warum soll das Herz diese unnütz im Kreis pumpen. Verdünntes Blut ist auch für die Gefäße schonender. Also warum nicht die Erys in der Milz zwischenlagern. Und wenn sie dann benötigt werden, werden sie in den Kreislauf gepresst.

Seehunde und Seelöwen haben eine große Milz
Seeloewen haben eine sehr große Milz Die sehr große Milz dient bei diesen Tieren als Blutspeicher und sie hat viele Muskelfasern in der Kapsel: bei Bedarf zieht sich die Milz zusammen und das Blut wird in den Gefäßkreislauf gepresst. Dieser rasch verfügbare Blutvorrat kann als Sauerstoffspeicher dienen, der beim Tauchen verwendet wird. Links ein Seelöwe (hat Ohren). Seelöwen haben eine etwas kleinere Milz und können nicht so lange tauchen wie Seehunde.

Ist diese Funktion der Milz auch beim Menschen wichtig? Die Milz des Menschen ist nicht so groß und hat nicht so viele Muskelfasern in der Kapsel, um sich zu kontrahieren. Der Mensch kann bei körperlicher Belastung nur etwa 160 ml Blut aus der Milz in den Blutkreislauf spülen. Selbst wenn diese 160 ml konzentriertes Blut sind (also wenig Flüssigkeit und viele Erythrozyten), wäre die Leistungssteigerung gering. 
Aber es gibt Hinweise, dass die Milz in der Ruhephase der Nacht Erythrozyten speichert und so den Kreislauf ein bisschen entlasten könnte. Ob das allerdings wirklich eine Herz- oder Gefäß-schonende Wirkung hat, ist nicht klar.
(Hochachka P.W., Federation Proceedings, 1986; Zapol W.M., Scientific American, 1987; Laub M., J Appl Physiol, 1993; Stewart I.B.&McKenzie D.C., Sports Medicine, 2002)  
Die Milz dient auch als Reservoir für Blutplättchen und hilft die Thrombozytenzahl zu regulieren (Bredolan A., BioEssays, 2007).

Die Milz als wichtiger Teil des Immunsystems

In der weißen aber auch in der roten Milz-Pulpa befindet sich eine große Menge von Abwehrzellen, also weiße Blutkörperchen (vorwiegend Lymphozyten, Fresszellen und Monozyten). Dementsprechend leistet die Milz die üblichen Aufgaben im Rahmen der Infektionsabwehr. Es werden in der Milz Antikörper produziert, es gibt lymphozytäre Keimzentren, die sog. Follikel, in denen Lymphozyten zu spezialisierten Abwehrzellen reifen, und vieles mehr. So wie das in anderen lymphatischen Organen, z.B. den Lymphknoten, auch passiert.
Besonders interessant sind aber natürlich die Fähigkeiten der Milz, die bei ihrem Ausfall nicht oder nicht ausreichend von anderen Organen oder Abwehrmechanismen übernommen werden können:

Der offene Milzkreislauf ermöglicht unseren Abwehrzellen raschen und einfachen Zugriff auf die Erreger
Eine Besonderheit der Milz ist ihr oben beschriebener offener Kreislauf: relativ große Blutmengen werden aus offenen Kapillaren in den Bereich der roten Pulpa geschüttet und umspülen die weiße Pulpa, also die Abwehrzellen. Es dürfte auch Kapillaren geben, die direkt oder fast direkt in der weißen Pulpa enden. Damit kommen alle Erreger, die im Blut schwimmen, sofort in direkten Kontakt mit unseren Abwehrzellen. Die Milz kann daher besonders rasch als erste Verteidigungslinie gegenüber im Blut schwimmenden Krankheitserregern dienen.
 
Die Milz hat spezielle Bedeutung für die Abwehr von Bakterien, die eine  Kapsel besitzen
Manche Bakterien sind zum Schutz vor unseren Abwehrzellen von einer dicken Kapsel eingehüllt. So z.B. Meningokokken, Pneumokokken und Haemophilus influenzae. Diese Bakterien können schwere Gehirnhautentzündungen, Lungenentzündungen und generalisierte Infektionen (Sepsis) verursachen. Zur Bekämpfung dieser Erreger hat die Milz bestimmte Fresszellen und bestimmte  B-Lymphozyten (Näheres zu diesen B-Zellen weiter unten). Bei fehlender Milzfunktion können Infektionen mit diesen Erregern innerhalb von Stunden zum Tod führen.
  
Pneumokokken (=Streptococcus pneumoniae) mit Kapsel
Zwei Pneumokokken mit Kapsel  Links eine Symboldarstellung zweier Pneumokokken (blaue Ovale), die um sich eine dicke Kapsel aus Polysacchariden (~Ketten aus Zuckermolekülen) aufgebaut haben (grau dargestellt). Die Kapsel schützt die Bakterien vor dem Gefressenwerden durch unsere Abwehrzellen. Wir haben aber Fresszellen und Antikörper-produzierende B-Zellen, die auf solche Bakterien spezialisiert sind. Und diese Abwehrzellen gibt es vor allem in der Milz. Noch dazu filtert die Milz ja große Blutmengen, daher ist sie für die rasche Abwehr im Blut schwimmender Erreger sehr wichtig.

Auch für die Abwehr von Malaria, bei der die Erreger frei im Blut schwimmen oder in den Erythrozyten sitzen, ist die Funktion der Milz wichtig.
(Weller S., Blood, 2004, Brendolan A, BioEssays, 2007, Kruetzmann S., J Exp Med, 2003, Mebius R.E., Nature, 2005)
 

Andere Funktionen der Milz

Abbau des Hämoglobins, Speicherung von Eisen

In der Milz wird eine große Menge roter Blutkörperchen abgebaut. Deren Bestandteile gehen aber nicht verloren. Sie werden in der Milz zerlegt und wiederverwendet. Das Eisen der roten Blutkörperchen wird in den vielen Fresszellen der Milz gespeichert.

Monozytenspeicher

Relativ neu ist die Erkenntnis, dass die Milz ein wichtiger Speicher für Monozyten ist. Monozyten sind Vorläufer unserer Fresszellen und ähnlicher Abwehrzellen. Es befinden sich in der Milz, und zwar in der roten Pulpa, mehr Monozyten als im gesamten Blut. Bei Bedarf werden sie rasch frei und gelangen zum Einsatzort, zum Beispiel um zerstörtes Gewebe nach einem Herzinfarkt aufräumen zu helfen (Swirski F.K., Science, 2009).


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VERMINDERUNG DER MILZFUNKTION (=HYPO-SPLENISMUS)

Erkrankungen mit Verminderungen der Milzfunktion

Man könnte meinen, dass eine verminderte Milzfunktion nur sehr selten vorkommt, da dies ja nur bei angeborenem Fehlen der Milz oder nach chirurgischer Entfernung der Milz zu erwarten ist. Leider sind es aber gar nicht so wenige Erkrankungen, die eine verminderte Milzfunktion mit all ihren Folgen verursachen können. Vor allem Darm- und Lebererkrankungen (z.B. Zöliakie des Erwachsenen, Leberzirrhose) können eine verminderte Milzfunktion verursachen. Bei vielen Erkrankungen ist noch gar nicht klar, wodurch sie die Milzfunktion beeinträchtigen.
 

Bei folgenden Erkrankungen wurde eine verminderte Milzfunktion (=Hyposplenismus) beobachtet:

(nach Di Sabatino A., Lancet 2011; Kirkineska L., Hippokratia 2014; William B.M.&Corazza G.R., Hematology 2007; Engelhardt M., Dtsch Med Wochenschr, 2009)
  • Angeborene Formen des Hyposplenismus
    Regelhaft: Neugeborene, Frühgeborene
    Sehr selten: Angeborene Hyposplenie (bis zum völligen Fehlen einer Milz - der Asplenie; z.B. Ivemark Syndrom), Autoimmune Polyendocrinopathy-Candidiasis-Ektodermale Dystrophie (APECED; seltene Erbkrankheit, v.a. in Finnland), Hypoparathyreoidismus Syndrom, Stormorkens Syndrom (extrem seltene Erbkrankheit; niedrige Blutplättchen), Fetales hydantoin syndrome (versch. Fehlbildungen nach antiepilept. Therapie in Schwangerschaft), Angeborene zyanotische Herzerkrankungen (angeborene Herzfehler können mit Milzfehlbildungen einhergehen; Milz kann auch fehlen)
  • Zöliakie des Erwachsenen (häufige Ursache einer verminderten Milzfunktion)
    Unverträglichkeit gegenüber Gluten. Je schwerer die Zöliakie, desto wahrscheinlicher ist ein Hyposplenismus dabei. Von den schwereren Formen weisen 50-80% einen Hyposplenismus auf.
    Kurios in dem Zusammenhang ist, dass der Ausdruck "Hyposplenismus" etwa 1924 bei Zöliakiepatienten geprägt worden sein soll, deren Milz rückgebildet (atrophiert) war und bei denen die typischen Blutbildveränderungen (siehe weiter unten) im Mikroskop gesehen wurde. Behauptete zumindest ein gewisser William Dameshek im Journal of the American Medical Association im Jahr 1955.
  • Andere Entzündliche Darmerkrankungen
    Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa, Idiopathische chronisch ulcerative Enteritis (seltene Variante entzündlicher Darmerkrankungen)
  • Andere Darmerkrankungen
    Morbus Whipple (seltene, wahrscheinlich Infektionskrankheit, v.a. Dünndarm betroffen),  Dermatitis herpetiformis (Hauterkrankung mit Blasen, v.a. an Extremitäten, geht mit Zöliakie einher), Intestinale Lymphangiektasien (erweiterte Lymphgefäße in der Darmwand; Eiweißverlust) 
  • Lebererkrankungen
    Aktive chronische Hepatitis (Virushepatitis), Primär biliäre Cirrhose (Autoimmunkrankheit), Leberzirrhosen mit erhöhtem Druck im Pfortaderkreislauf (=portaler Hypertension),  Alkoholismus mit alkoholischer Leberschädigung
  • Autoimmunerkrankungen
    Lupus erythematodes, Rheumatoide Arthritis, Autoimmunglomerulonephritis, Morbus Wegener, Goodpasture Syndrom, Sjögren Syndrom, Panarteriitis nodosa, Autoimmunthyreoiditis (Hashimoto), Antiphospholipidsyndrom (APS), Mixed Connective Tissue Disease, Morbus Basedow,
  • Infektionserkrankungen
    HIV/AIDS (jeder 3. Fall zeigt Hyposplenismus), Pneumokokkenmeningitis, Malaria
  • Hämatologische Erkrankungen und Tumorerkrankungen
    Sichelzellanämie (v.a. reinerbig/homozygot) - global gesehen eine häufige Ursache.
    Akute Leukämien, Chronisch Myeloproliferative Erkrankungen, Chronisch lymphatische Leukämie,  Non-Hodgkin Lymphome,  Systemische Mastozytose
  • Therapiebedingt verminderte Milzfunktion
    Chirurgische Entfernung der Milz, Methyldopabehandlung, hochdosierte Corticosteroid-Behandlung,  Künstliche Ernährung, Bestrahlung der Milz, nach Knochenmarkstransplantationen (etwa nach jeder 3. allogenen Knochenmarkstransplantation, besonders wenn eine chronische Graft-versus-Host-Disease vorliegt).
  • Thrombosen (der zuführenden Arterien oder abfließenden Venen)
    Thrombose der Arteria lienalis (Milzarterie), des Truncus Coeliacus, der Milzvene oder der Pfortader.
  • Andere Erkrankungen
    Sarkoidose, Amyloidose, Lungenhochdruck, Multiple Sklerose

Bei den meisten Erkrankungen werden Sie die Erklärungen vermissen, warum es dabei zu einer Milzunterfunktion kommt. Tatsächlich ist das bei vielen Erkrankungen unklar. Selbst bei der recht häufig zum Hyposplenismus führenden Zöliake fehlt eine schlüssige Erklärung.

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FOLGEN EINER VERMINDERTEN MILZFUNKTION

Erhöhte Anfälligkeit für Infektionen

Menschen mit verminderter Milzfunktion (=Hyposplenismus) haben ein höheres Risiko, schwere Infektionen bis zur Sepsis (generalisierte Infektion, "Blutvergiftung") zu erleiden. Eine besondere Anfälligkeit besteht gegenüber Bakterien mit einer Polysaccharidkapsel wie Pneumokokken, Meningokokken oder Haemophilus influenzae. Diese können z.B. Lungenentzündungen, Gehirnhautentzündungen und eben eine Sepsis verursachen.
 

Studien bei Patienten nach Milzentfernung (=Splenektomie)

Schon 1919 fanden Morris&Bullock Ratten ohne Milz weit anfälliger für Infektionen, dennoch hielt man die Milz beim Menschen lange für ein verzichtbares Organ. 1952 untersuchten King&Shumacker 5 Fälle von Kindern, denen aus medizinischen Gründen sehr frühzeitig die Milz entfernt wurde und die 3 Wochen bis 2 Jahre später an schwersten Infektionen mit Kapsel-tragenden Bakterien (Meningokokken, Haemophilus influenzae) erkrankten. 2 der 5 beschriebenen Kinder verstarben. Der Begriff OPSI wurde geprägt (overwhelming post-splenectomy infection, also fulminante Infektion nach einer Milzentfernung) und als mögliche Komplikation einer Milzentfernung angesehen. Die Erkrankung kann auch beim Erwachsenen auftreten, sie hat auch da eine hohe Sterblichkeit (>50%). Derart schwer verlaufende Infektionen, man spricht auch von fulminanter Sepsis, gibt es nicht nur nach einer Milzentfernung, aber eine Entfernung der Milz erhöht das Risiko beträchtlich (etwa 50-fach). Wobei das Risiko nach einer Milzentfernung bei kleinen Kindern größer ist als bei Kindern im Schulalter. Bei Milzentfernung wegen Verletzung der Milz ist das Risiko wiederum geringer als nach Milzentfernung aufgrund anderer Ursachen (Zusammenfassung bei Di Sabatino A., Lancet, 2011). 

Studien bei Hyposplenismus ohne Entfernung der Milz

Für den funktionellem Hyposplenismus, also Fälle bei denen die Milz noch vorhanden ist, aber nicht oder nur mehr schlecht funktioniert, findet man weniger Studien bezüglich des Infektionsrisikos.  Es kommen aber die gleichen Erreger in Frage: Es wurde ein höheres Risiko für Sepsis durch Pneumokokken bei Zöliakie und nach Knochenmarkstransplantationen beobachtet. Weiters wurde eine höhere Rate an Todesfällen wegen schwerer Infektionen bei Zöliakie gefunden. Ebenso ist bei der Sichelzellerkrankung, bei der die Milz meist stark geschädigt wird, bei Kindern ein extrem erhöhtes Risiko für schwerere Infektionen mit Kapsel-tragenden Bakterien beschrieben (Zusammenfassung bei Di Sabatino A., Lancet, 2011).
  
Erreger einer Sepsis nach Milzentfernung
Häufiger:
  • Streptokokkus pneumoniae (Pneumokokken)
  • Haemophilus influenzae Typ B
  • Neisseria meningitidis (Meningokokken)
Seltener:
  • Escherichia coli
  • Salmonellen
  • Pseudomonas aeruginosa
  • Capnocytophaga canimorsus (nach Hundebissen)
  • B-Streptokokken
  • A-Streptokokken
  • Babesia
  • Malaria-Plasmodien
(nach Engelhardt M., Dtsch Med Wochenschr, 2009)
Zwei Pneumokokken mit Kapsel  Links eine Symboldarstellung zweier Pneumokokken (blaue Ovale), die um sich eine dicke Kapsel aus Polysacchariden (~Ketten aus Zuckermolekülen) aufgebaut haben (grau dargestellt). Die Kapsel schützt die Bakterien vor dem Gefressenwerden durch unsere Abwehrzellen. Es gibt aber Fresszellen und Antikörper-produzierende B-Zellen, die auf solche Bakterien spezialisiert sind. Und diese Abwehrzellen gibt es vor allem in der Milz. Noch dazu filtert die Milz ja große Blutmengen, daher ist sie für die rasche Abwehr im Blut schwimmender Erreger sehr wichtig.

Weiterführende Information für immunologisch Interessierte

Obwohl man viele Einzelfaktoren kennt, ist nicht vollständig klar, welche der beobachteten Abweichungen des Immunsystems in welchem Ausmaß für die Abwehrschwäche bei fehlender Milzfunktion verantwortlich ist. Manche sehen die sog. IgM-Memory-B-Zellen als wichtigen Faktor an. Diese kommen vor allem in der Milz vor und sind bei fehlender Milzfunktion vermindert. Man findet sie in der Marginalzone der weißen Pulpa (wenn man beim Menschen von einer Marginalzone sprechen will/soll; sie liegen jedenfalls beim Menschen um den Follikel herum und sind CD27+/IgM+ und IgDschwach+). Deswegen werden sie manchmal auch ungenau "Marginalzonen B-Zellen" genannt. Wie immer man sie bezeichnet, diese Zellen produzieren Antikörper gegen bekapselte Bakterien. Und dazu brauchen sie keine Hilfe der T-Zellen. [es soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass viele Fakten zu diesen Zellen noch unklar und umstritten sind]
Dann gibt es in der Milz Makrophagen, die für die Phagozytose kapseltragender Bakterien geeignet sind. Zumindest bei der Maus ist das gut dokumentiert (die sog SIGNR1-Marginalzonenmakrophagen). Beim Menschen gibt es in der Milz Zellen mit einem ähnlichen Rezeptor, ob diese aber vergleichbare Bedeutung haben, ist nicht sicher.
Es wurden nach Milzentfernung noch einige andere Auffälligkeiten beobachtet, die prinzipiell in Richtung Immunschwächung gehen, wie z.B. gestörte T-Zellfunktion, verminderte T-Zellzahl, veränderte Komplementaktivierung - die Bedeutung dieser Beobachtungen ist aber unklar, viele stammen auch von Tierexperimenten.
Oder ist es einfach die Blutfilterfunktion der Milz mit dem engen Kontakt des Blutes mit verschiedenen Abwehrzellen, die für das rasche Reagieren auf Erreger wichtig ist und deren Fehlen die Abwehrschwäche verursacht?
(Brendolan A., BioEssays, 2007; Mebius RE, Nature, 2005; Di Sabatino A., Lancet, 2011; Etwas andere Standpunkte: Seifert M., PNAS, 2015; Tangye S.G., J Immunol, 2007).

  

Erhöhtes Risiko für Blutgefäßverstopfungen (=Thrombosen)

Nach Milzentfernung*) ist das Risiko an einer Thrombose zu erkranken erhöht. Das betrifft Arterien und Venen. Die Ursachen dafür sind weniger klar: Einmal wird die nach Milzverlust erhöhte Zahl an Blutplättchen angeführt. Erhöht fand man fallweise auch das Hämoglobin, das Cholesterin und die Leukozyten. Alle drei Faktoren könnten Thrombosen begünstigen. Aber auch die alten oder defekten roten Blutkörperchen, die die Milz normalerweise entfernt, könnten nach Milzverlust stattdessen in der Blutbahn, in den engen Kapillaren zerfallen. Dabei könnten gerinnungsfördernde Effekte auftreten.
Bei einer Studie an über 8000 Patienten nach Milzentfernung fand sich ein etwa verdoppeltes Risiko an einer tiefen Beinvenenthrombose oder einer Pulmonalembolie (Lungengefäßverstopfung) zu erkranken (Kristinsson S.Y., Haematologica, 2013).
* Es ist unbestritten, dass nach Entfernung der Milz das Thromboserisiko steigt. Ob es auch bei vorhandener Milz aber verminderter Milzfunktion steigt, wird eher verneint. Bei Zöliakie wurde zwar eine erhöhte Thromboserate beschrieben, aber ob da die verminderte Milzfunktion schuld war, wurde nicht überprüft (Ludvigsson J.F., Brit. J. Haematol., 2007).

Erhöhtes Risiko für Erkrankungen der Herzkranzgefäße (Coronararterien)

Zwei ältere Studien fanden erhöhtes Risiko für Herzinfarkt  (bzw. dessen Vorstufen) nach Milzentfernung. In einer größeren neueren Studie wurde das Risiko nach einer Milzentfernung an einer Herzkranzgefäßerkrankung zu sterben ("Herzinfarkt") als leicht erhöht beschrieben (1,4-fach). Auch wenn das Ergebnis statistisch knapp war, scheint es durchaus logisch, dass eine Erkrankung die Blutgefäßverstopfungen verursacht, auch das Herzinfarktrisiko erhöhen kann. (Robinette C.D., Lancet, 1977; Schilling R.F., Lancet, 1997, Kristinsson S.Y., Haematologica, 2013)

Erhöhtes Risiko für Lungenhochdruck

Ohne dass man die Ursache dafür wirklich kennen würde, weiß man, dass das Risiko eines Lungenhochdrucks nach Milzentfernung deutlich erhöht ist. Und das auch bei Milzentfernung nach einem Unfall (Crary S.E., Blood, 2009).

Erhöhtes Risiko für Tumorerkrankungen?

Nicht endgültig geklärt. Eine Studie zeigt ein erhöhtes Tumorrisiko nach Milzentfernung. Auch wenn man nur die Milzentfernungen nach Unfall einbezieht (Kristinsson S.Y., Haematologica, 2013). Mehrere frühere Studien zeigten allerdings keine erhöhtes Tumorrisiko nach Milzentfernung.

Erhöhtes Risiko für Autoimmunerkrankungen?

Es gibt dazu theoretische Überlegungen und ein paar Studien, aber bei diesen ist nicht immer sicher, was Ursache und was Wirkung ist. Z.B. gibt es Bei Zöliakiepatienten nachweislich gehäuft andere Autoimmunerkrankungen. Aber ob die bei Zöliakie häufig auftretende Milzunterfunktion dafür die Ursache ist, bleibt unklar.
Es erschien 2016 eine Studie, die das gehäufte Auftreten von Lupus erythematodes nach Splenektomie klar zu beweisen schien (Hsu C.Y., Rheumatology International, 2016). Dieser Arbeit wurde aber von einer indischen Gruppe sehr höflich aber auch sehr schlüssig widersprochen (Misra D.P., Rheumatology International, 2016). 
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BEHANDLUNG / VORBEUGUNG BEI GESTÖRTER MILZFUNKTION

 
Zwei Fragen ergeben sich dabei: "WAS kann/soll man tun?" und "WANN kann/soll man es tun?". Beide Fragen sind nicht einfach zu beantworten.
Anmerkung: die nachfolgenden Ausführung zur Behandlung/Vorbeugung können nur grundsätzliche Überlegungen wiedergeben. Es gibt verschiedene Richtlinien, die sich durchaus unterscheiden. Für mehr Details sei auf die United Kingdom Guidelines, verfasst von John M. Davies, British Journal of Hematology, 2011, 155, 308-317, und die Leitlinien der Deutschen Gesellschaften, verfasst 2013 von Monika Engelhardt, in onkopedia, verwiesen.

WAS kann/soll man bei fehlender oder verminderter Milzfunktion tun?

Besonders wichtig ist es, die drohenden schweren, oft lebensgefährlichen Infektionen mit Bakterien (Pneumokokken, Meningokokken und Haemophilus Influenzae) zu verhindern.

Impfung

Gegen alle drei oben genannten Erreger kann man impfen. Die Impfungen sind relativ unumstritten, das sollte man in jedem Fall machen. Wenn möglich sollte man impfen bevor die Funktion der Milz geschädigt ist. Bei einer planmäßigen Milzentfernung, sollte man mindestens 2 Wochen vor der Operation impfen, dann wirkt die Impfung sicherer und besser. Wenn danach, dann 2 Wochen danach. Allgemein ist der Impferfolg zu überprüfen, wenn analytisch möglich (Antikörperspiegel nach Impfung bestimmen). Auch die jährliche Grippeimpfung wird empfohlen.

Antibiotikabehandlung

Vorbeugung (Prophylaxe): Es gab zwar vereinzelt Empfehlungen für eine generelle lebenslange Antibiotikaprophylaxe, aktuelle Richtlinien unterstützen das aber nicht. Lebenslange Vorbeugung wird nur nach einer bereits einmal durchgemachten Sepsis-nach-Milzentfernung, bei Immunschwächen und bei Impfversagen empfohlen. Englische Richtlinien sehen die Antibiotikaprophylaxe auch generell bei unter 16-Jährigen und über 50-jährigen gerechtfertigt. Bei Kindern lautet die Empfehlung: 3 Jahre lang Antibiotikaprophylaxe nach der Milzentfernung (bei Milzentfernung wegen Thalassaemie auch lebenslang).
Stand-By-Therapie:  Alle Patienten sollten immer einen Vorrat geeigneter Antibiotika mitführen und beim Auftreten von Symptomen (Fieber, Schüttelfrost, Krankheitsgefühl) sofort anwenden.

Malariaprophylaxe

Prophylaxe bei Reisen. Im Erkrankungsfall ist rasche Therapie notwendig.

Vorbeugung von Blutgefäßverstopfungen (Thrombosen)

Gerinnungshemmung mit LMW-Heparin bis mindestens 4 Wochen nach der Milzentfernung, die anschließende Gabe von 1 Jahr Azetylsalizylsäure ("Aspro") wird von manchen empfohlen. Anderen erscheint es wichtiger, nach einer Milzentfernung immer an die nicht seltene aber schwer zu erkennende Pfortaderthrombose zu denken (und rasch nach ihr zu suchen, wenn die Symptome auch nur vage darauf hindeuten).


WANN kann/soll wegen fehlender Milzfunktion vorgebeugt werden?

Theoretisch ganz einfach zu beantworten: bei allen Menschen mit stark verminderter Milzfunktion. In der Realität aber oft sehr schwierig. Nicht einmal bei den Patienten, denen eine Milz entfernt wurde, ist ganz sicher, dass keine Milzfunktion vorhanden ist.

Bei angeborenem Fehlen der Milz

Angeborenes Fehlen der Milz ist extrem selten und oft mit anderen schwerwiegenden Fehlbildungen verbunden. Behandlung oder Vorbeugung muss von Fall zu Fall entschieden werden.

Nach operativer Entfernung der Milz (=Splenektomie)

Nach operativer Milzentfernung würde man erwarten, dass Patienten keinerlei Milzfunktion mehr haben. Das muss aber nicht so sein.
Möglichkeit 1: Etwa 5-15% aller Menschen haben eine sog. Nebenmilz, also ein zusätzlich angelegtes, meist kleines, milzartiges Organ. Nimmt man die Milz akut nach einem Unfall heraus, weil sie eingerissen ist, dann können solche Nebenmilzen erhalten bleiben und je nach Größe die Milzfunktion mehr oder weniger übernehmen.
Möglichkeit 2: Bei einer Verletzung der Milz oder bei ihrer operativen Entfernung kann ein bisschen Milzgewebe verschleppt werden und im Bauchraum "anwachsen" (sog. Splenose). Auch dieses Gewebe kann die Milzfunktion teilweise ersetzen.
Es wurde auch versucht, während der operativen Entfernung der Milz absichtlich etwas Milzgewebe zu "verschleppen", also absichtlich eine Splenose herbeizuführen, um damit die Milzfunktion zumindest teilweise zu erhalten. Schon 30 ml Milzgewebe können da ausreichen (Corazza G.R., Brit Med Journal, 1984). Die Menge kann der Chirurg ja bestimmen.  Aber neben der Menge ist auch wichtig, dass das verschleppte Milzgewebe optimal durchblutet wird, damit es die Filterfunktionen der Milz ausüben kann. Da man aber nicht vorhersehen kann, wie gut das verschleppte, angewachsene Milzgewebe einmal durchblutet werden wird, sehen manche diese absichtliche Splenose als nicht besonders sinnvoll an (Weledji E.P., International Journal of Surgery, 2013).

Konsequenz daraus: selbst nach operativer Milzentfernung kann die Milzfunktion zumindest teilweise erhalten sein und es empfiehlt sich vor irgendwelchen vorbeugenden oder therapeutischen Maßnahmen die Milzfunktion zu untersuchen (näheres zur Untersuchung der Milzfunktion weiter unten).

Bei vorhandener aber geschädigter Milz (= funktioneller Hyposplenismus)

In diesen Fällen ist die Milz zwar da, aber durch eine andere Erkrankung so stark geschädigt, dass sie in ihrer Funktion eingeschränkt ist. Die Richtlinien sehen für solche Fälle vor, dass man die Funktion der Milz untersucht und bei einer nachweisbaren schweren Störung den Schutz vor Infektionen durchführt, wie oben beschrieben. Die deutschen Richtlinien schlagen sogar bestimmte Methoden zur Untersuchung der Milzfunktion vor (Szintigraphie, Pitted Erythrozyten, Howell-Jolly-Körperchen; siehe weiter unten). Leider geben sie aber keinerlei Grenzwerte an, bei deren Über- oder Unterschreitung man etwas unternehmen muss. Auch in den englischen Richtlinien findet man keine diesbezüglichen Grenzwerte. Das ist zugegeben auch sehr schwierig, weil Studien dazu fehlen.
Eine der raren Angaben zu Entscheidungsgrenzen finden sich bei Antonio Di Sabatino und Koautoren, World Journal of Gastroenterology, 2013: Die Autoren schlagen vor, ab einem Anteil von über 10% Pitted Erythrozyten oder unter 10% IgM-Memory-B-Zellen im Blut vorbeugend zu impfen (näheres zu diesen Tests weiter unten). Keine echte Studie aber immerhin ein Vorschlag. Lt. den Autoren basiert der Vorschlag auf den Werten, die man bei komplettem Fehlen der Milz beobachtet hat.

Schonende Operationstechniken, späte Operation bei Kindern

Ebenfalls zur Vorbeugung könnten man zählen, dass man zunehmend versucht, bei notwendigen Milzentfernungen nicht unbedingt die ganze Milz zu entfernen. Auf jeden Fall kann man das bei Milzentfernungen nach einem Unfall versuchen. Aber auch wenn man eine Milz wegen einer Kugelzellanämie oder Thalassaemie entfernen musste, wurde erfolgreich versucht, nicht die ganze Milz zu entfernen. Außerdem versucht man eine notwendige Milzentfernung bei Kindern möglichst spät durchzuführen.
 
 
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TESTS ZUM ERKENNEN EINER VERMINDERTEN MILZFUNKTION

 
Da man, wie oben beschrieben, gegen eine Unterfunktion der Milz durchaus etwas tun kann und sollte, sind nachfolgend einige Test beschrieben, mit denen man eine Unterfunktion erkennen kann. Bei diesen Tests wird vor allem die Hauptfunktion der Milz getestet: die Milz soll alte/defekte Erythrozyten aufnehmen und beseitigen. Tut sie das nicht, findet man mehr von diesen im Blut. Nur ein Test erkennt die fehlende Abwehr-Funktion der Milz an der Verminderung bestimmter B-Lymphozyten, der IgM-Memory-B-Zellen.

Die Funktionstests der Milz

Zur Auswahl auf den Text klicken Ein auffälliges Blutbild im Mikroskop als erster Hinweis
Bereits bei der ganz normalen mikroskopischen Blutuntersuchung kann man Verdachtsmomente für eine Milzunterfunktion finden.
Zur Auswahl auf den Text klicken Speicherung Technetium-markierter, beschädigter roter Blutkörperchen in der Milz
Gold-Standard zur Beurteilung der Milzfunktion. Aber sehr aufwendig.
Zur Auswahl auf den Text klicken Mikroskopische Bestimmung der "Pitted Erythrozyten" im Blut
Derzeit am häufigsten eingesetzte Methode, die nur ein spezielles Mikroskop und etwas Erfahrung benötigt.
Zur Auswahl auf den Text klicken Bestimmung der Howell-Jolly-Körperchen-tragende Erythrozyten im Blut
Im Mikroskop nicht sehr verlässlich, aber mit einer Spezialtechnik - der Durchflusszytometrie - vielleicht eine Methode der Zukunft.
Zur Auswahl auf den Text klicken Zählung der Erythrozyten mit "argyrophilen" Einschlüssen im Mikroskop
Fraglich, ob Platz für diese Methode bleibt.
Zur Auswahl auf den Text klicken IgM-Memory-B-Zellen / Marginalzonen B-Zellen im peripheren Blut
Alle bisher genannten Methoden, bewerten die Funktion der Milz als Erythrozytenfilter. Bei der Bestimmung der IgM-Memory-B-Zellen wird eine immunologische Funktion der Milz beurteilt.

Erkennung einer Milzunterfunktion (=Hyposplenismus) im "ganz normalen" mikroskopischen Blutbild

In zwei Sätzen: Milzunterfunktion hat bestimmte Merkmale im mikroskopischen Blutbild: Vermehrung deformierter Erys (Akanthozyten), Auftreten von Erys mit Kernresten (Howell-Jolly-Körperchen), vermehrte Blutplättchen. Mehr als einen ersten Hinweis oder einen Verdacht auf eine Milzunterfunktion kann das Blutbild aber nicht liefern.

Unter einem Blutbild wird im medizinischen Labor i.A. die automatisierte Zählung (und Vermessung) der Zellen des Blutes verstanden. Unter einem mikroskopischen Blutbild versteht man eine Untersuchung, bei der das Blut auf einer rechteckigen, kleinen Glasscheibe (=Objektträger) verteilt wird (Blutausstrich), die Zellen des Blutes anschließend gefärbt und im Mikroskop betrachtet werden.

Folgende Auffälligkeiten findet man bei Milzunterfunktion:
Bei den Erythrozyten kommt es zum Auftreten bzw. zu einer Vermehrung von Zellen mit Kernresten (Howell-Jolly-Körperchen), Zellen mit schießscheibenartigem Aussehen (Target-Zellen), Zellen mit eisenhaltigen Strukturen (Pappenheimer-Körperchen) und Zellen mit verschieden großen, eher plumpen Ausstülpungen (Akanthozyten). All diese Zellen kommen aber auch bei vielen anderen Erkrankungen vor. Selten und in minimaler Anzahl auch bei Gesunden. Bei Milzunterfunktion sind sie jedenfalls vermehrt.

Ery mit Howell-Jolly-Körperchen Ery mit Kernresten (Howell-Jolly-Körperchen)
Reife Erys haben keinen Kern mehr, manchmal bleiben aber Reste zurück. Diese erscheinen als dunkel-violette bis schwärzliche, rundliche Gebilde von 0,5 - 1.5 µm (Ery-Durchmesser ca. 7,5 µm). Beim Gesunden extrem selten, außer beim Neugeborenen. Bei Blutarmut mit Zerstörung der Erythrozyten (=hämolytische Anämien), B12/Folsäuremangelanämie und bei Chemotherapie häufiger. Und bei Milzunterfunktion. Nach operativer Milzentfernung findet man sie nach 25 Tagen bei der Hälfte, nach 100 Tagen bei fast allen Patienten.
Target-Zelle Target-Zellen (= Schießscheibenzellen)
Findet man vereinzelt bei Gesunden. Neben der Milzunterfunktion vermehrt auftretend bei Lebererkrankungen und bei manchen Hämoglobinopathien (erbliche Erkrankungen mit abnormem roten Blutfarbstoff).
Ery mit Pappenheimer-Körperchen Pappenheimer-Körperchen
Eisenhaltige Strukturen im Ery, sog. Pappenheimer-Körperchen. Beim Gesunden extrem selten. Neben Milzunterfunktion vermehrt vorkommend bei verschiedenen Blutarmutsformen.
Akanthozyt, deformierter Ery Akanthozyten
Erythrozyten mit plumpen und unregelmäßigen Fortsätzen. Neben Milzunterfunktion vermehrt bei Leberschäden, bes. bei alkoholischen. Bei seltenen erblichen Fettstoffwechselstörungen (Abetalipoproteinämie, Hypobetalipoproteinämie), ev. bei erblichem Enzymmangel der Erythrozyten (Pyruvatkinasemangel), bei Schilddrüsenunterfunktion,  bei Mangelernährung, Vitamin E-Mangel.

Weiters kann bei Milzunterfunktion die Anzahl der weißen Blutkörperchen und Blutplättchen erhöht sein.

Blutplättchen nach Milzentfernung
Anzahl der Blutplättchen nach Milzentfernung
Nach Entfernung der Milz steigen die Blutplättchen (=Thrombozyten) im Mittel bis auf ca. 750 Tausend/µl an (maximale Werte nach ca. 20 Tagen). Die höchsten Werte können über 2 Millionen/µl  liegen (Cameron, PLosONE, 2011; blaue Kurve = Mittelwert aus 51 Patienten; rot der Bereich am Tag 20). Anmerkung: Bei Gesunden mit erhaltener Milz liegen die Blutplättchen zwischen 150 und 350 Tausend/µl.



Technetium-Uptake Methode

In vier Sätzen: Man entnimmt dem Patienten Blut, schädigt die Erythrozyten durch Erhitzen und markiert die Erythrozyten mit radioaktivem-Technetium. Dann infundiert man dem Patienten die geschädigten, markierten Erythrozyten wieder in eine Vene. Mit einem Detektor kann man dann über der Milz einen Anstieg der Radioaktivität beobachten, weil die Milz die geschädigten Erythrozyten aufnimmt. Bei Verminderung der Milzfunktion passiert das vermindert oder gar nicht.

Die Methode sei hier nur kurz erwähnt, es ist keine labormedizinische Methode sondern gehört in den Bereich der Nuklearmedizin. Sie wird oft als "Gold-Standard" verwendet um zweifelsfrei nachzuweisen ob eine Milzunterfunktion vorliegt und wie ausgeprägt sie ist. Die Methode ist aber sehr teuer, technisch aufwendig und bedeutet eine gewisse Strahlenbelastung für den Patienten. Sie wird daher außerhalb von Studien kaum durchgeführt. 

Beurteilung der Milzfunktion durch Zählung der "Pitted Erythrozyten"

In drei Sätzen: mit einem speziellen Mikroskop erkennt man, dass in manchen Erythrozyten des Blutes kleine Bläschen sind, die wahrscheinlich eine Art Abfallbehälter sind. Der Gesunde hat nur wenige solcher Erythrozyten. Bei verminderter Milzfunktion hat man mehr, weil die Milz diese Erythrozyten (oder nur die Abfallbläschen) eigentlich entfernen sollte.

Was sind "Pitted Erythrozyten"?

Betrachtet man Erythrozyten in einem Mikroskop mit der sog. Nomarski-Optik bekommen sie ein räumlicheres Aussehen. Dabei bemerkt man bei manchen Erythrozyten an der Oberfläche kraterähnliche Vertiefungen.

Pitted Ery, also Ery mit Abfallbläschen Pitted Erythrozyt
Mit Nomarski-Optik betrachtet zeigt dieser Erythrozyt mindestens 7 erkennbare kraterähnliche Vertiefungen. 3 sind mit Pfeilen gekennzeichnet.  Ob das echte Vertiefungen sind oder optische Effekte durch knapp unter der Oberfläche liegende Bläschen, ist nicht ganz geklärt. Heute glaubt man eher an den optischen Effekt. In den Bläschen dürften Abfallprodukte sein. Wie auch immer: je schlechter die Milz funktioniert, desto mehr von diesen Pitted Erythrozyten hat man.
Normaler Erythrozyt / Nomarsky-Optik Normales rotes Blutkörperchen zum Vergleich
Bei diesem findet man keine kraterartigen Vertiefungen.

Die kraterähnlichen Vertiefungen dürften optische Effekte sein, die durch knapp unter der Oberfläche liegende Bläschen entstehen. In den Bläschen dürfte sich Zellabfall befinden, der zu beseitigen ist. Das passiert vor allem in der Milz, deren Fresszellen entweder den ganzen Ery beseitigen oder aber das Abfallbläschen aus dem Ery entfernen können.

Warum heißen sie eigentlich "pitted", ist das nicht falsch?
Pitted heißt doch "entkernt", "entsteint". Das sind diese Zellen ja nicht. Sie haben den "Kern", also das Abfallbläschen ja noch. Zwei Erklärungsmöglichkeiten: 1. Man kann "pitted" auch mit "narbig", "körnig" ev. sogar mit "Krater-tragend" übersetzen. 2. Erklärung: Ursprünglich könnte mit "pitted" tatsächlich gemeint gewesen sein, dass aus dem Ery etwas entfernt wurde und er daher nachher "pitted", also entkernt ist: 1966 beschrieb D.G.Nathan kraterähnliche Vertiefungen, die er mit Nomarski-Optik bei Thalassämie-Patienten fand. Bei Thalassämie kann abnormes Hämoglobin verklumpen. Er interpretierte die beobachteten Krater als mögliche Folge der Entfernung des verklumpten Hämoglobins. Und dafür verwendete er das Wort "pitting". Und ein Ery mit dem das passiert ist, ist dann "pitted" (Nathan D.G., American Journal  of Medicine, 1966). In dieser Bedeutung wäre das Wort "pitted" dann aber eine nach dem heutigen Wissen nicht ganz korrekte Bezeichnung.
Übrigens dürfte die Erstbeobachtung der Pitted Erythrozyten auf Koyama S. zurückgehen, dem derartige Erythrozyten bei Patienten nach Milzentfernung aufgefallen sind (Mie Medical Journal, 1962; Titel: "Postsplenectomy vacuole; new erythrocyte inclusion body").

Wie zählt man Pitted Erythrozyten?

Hat man ein Mikroskop mit Nomarski-Optik, ist das nicht so schwer: man vermengt das Blut mit einem Fixationsmittel (Glutaraldehyd), gibt das Blut auf einen Glasobjektträger, sieht sich die Erythrozyten im Mikroskop an und zählt normale und die Pitted Erythrozyten.

Wann sind Pitted Erythrozyten erhöht?

Pitted Erys sind erhöht bei allen Erkrankungen, bei denen die Milzfunktion vermindert ist. Nach Milzentfernung aber auch bei Erkrankungen, die die Milzfunktion vermindern (siehe oben). Auch bei Neugeborenen und Frühgeborenen finden sich höhere Werte.

Beispiel 1: Aus einer frühen Studie von Casper J.T., Blood, 1976. Die Milzschädigung bei Sichelzellanämie führte zu stark erhöhten Pitted Erythrozyten (Anm.: die "Kontrollen" waren einerseits Krankenhauspersonal und Patienten ohne Milzerkrankung mit unauffälligem Blutbild; dargestellt: Mittelwert/Standardabweichung):

Pitted Erythrozyten bei Sichelzellanämie stark erhöht


Beispiel 2: Nach einer neueren Studie bei Patienten bis zu 20 Jahren (Lehmberg K., Klinische Pädiatrie, 2007) Splenektomierte, also Patienten nach Entfernung der Milz, zeigten die höchsten Werte (dargestellt: Mittelwert/Standardabweichung):

Pitted Erythrozyten bei Sichelzellerkrankung und nach Milzentfernung stark erhöht


Ein interessantes Beispiel noch von Corazza G.R. (American Journal of Gastroenterology, 1999). Er vergleicht unbehandelte, erwachsene Zöliakiepatienten mit Gesunden und Patienten ohne Milz. Einige der Zöliakiepatienten scheinen kaum mehr eine Milzfunktion zu haben, da ihre Pitted Erythrozyten so hoch sind wie nach Milzentfernung. Anm.: die punktierte Linie bei 4% sieht Corazza als obere Normalwertgrenze:

Pitted Erythrozyten sind auch bei unbehandelter Zöliakie des Erwachsenen erhöht


Referenzbereiche ("Normalwerte") der Pitted Erythrozyten

Manche sehen den Referenzbereich bzw. den Bereich bei normaler Milzfunktion von 0-2%, andere von 0 bis 4% (Beispiele in der Tabelle unten). Neugeborene haben etwa 5 Tage lang höhere Werte, Frühgeborene bis zu 2 Monate (Werte bis über 20% wurden bei diesen beobachtet; Lehmberg K., 2007).

Quelle Pitted Erythrozyten (angegeben in %) Kontrollpopulation (Anzahl)
Casper J.T., Blood, 1976; 47(2):183  0,5 ± 0,5 (MW±SD); Die Werte lagen zwischen 0 - 2.6. Krankenhauspersonal und Pat. ohne Milzerkrankung zwischen 2 Monaten und 43 Jahren (n=88)
Corazza G.R., Am J Gastroent, 1999; 94:391 Mittelwert 0.8%, Werte lagen zwischen 0,05 und 3.9. SD wurde keine angegeben. Gesunde zwischen 16 und 68 Jahren (n=70)
Lehmberg K., Klinische Pädiatrie, 2007; 219: 339 0,13 ± 0,29 (MW±SD); Werte lagen ca. zwischen 0 - 1,8. Kinder mit verschiedenen Diagnosen aber anzunehmend normaler Milzfunktion zwischen 1 Mo und 20 Jahren (n=90)
Rogers Z.R., Blood; 2011; 117(9): 2614 1,1 ± 0,9 (MW±SD); Werte lagen ca. zwischen 0 - 3,5. Kinder mit Sichelzellänämie aber normaler Milzfunktion im Tc-Scan; 8-18 Monate (n=23)

Gibt es Grenzen, die eine Milzunterfunktion wahrscheinlich machen? Gibt es Grenzen, bei deren Überschreitung man etwas tun sollte?

Studien sahen eine Anzahl von über 15% bzw. 16% Pitted Erythrozyten als Hinweis auf eine fehlende Milzfunktion an (Casper J.T, Blood, 1976, Corazza G.R., Brit Med J., 1984). Eine Studie schätzte Werte zwischen 2 und 18% als Hinweis für eine verminderte Milzfunktion, Werte über 18% als Hinweis für eine fehlende Milzfunktion an (Lehmberg K., Klin. Pädiatrie, 2007). Nur eine Studie beschrieb eine fehlende Milzfunktion bereits bei Werten über 4.5% (Rogers Z.R., Blood, 2011).
Theoretisch sollte man diese Patienten so behandeln wie Patienten nach Milzentfernung entsprechend den weiter oben genannten deutschen oder englischen Richtlinien. Allerdings sind in den Richtlinien selbst keine Grenzwerte für Pitted Erythrozyten genannt.
Eine Publikation empfiehlt Impfungen ab einem Wert über 10% Pitted Erythrozyten (Di Sabatino A., World J Gastroent, 2013).

Beurteilung der Milzfunktion durch Zählung der Erys mit Howell-Jolly-Körperchen

In drei Sätzen: Nur ganz wenige Erythrozyten haben noch Reste ihres Zellkerns (die sog. Howell-Jolly-Körperchen), weil solche Zellen beim Gesunden fast ausnahmslos von der Milz entfernt werden. Bei Milzunterfunktion hat man mehr von diesen Zellen im Blut. Mikroskopisch ist es schwierig, Erythrozyten mit Howell-Jolly-Körpechen verlässlich zu zählen, mit Hilfe der Durchflusszytometrie lassen sie sich aber exakt bestimmen und könnten ein wertvoller Parameter zu Erkennung eine Milzunterfunktion sein.

Ery mit Howell-Jolly-Körperchen Ery mit Kernresten (Howell-Jolly-Körperchen)
Reife Erys haben keinen Kern mehr, manchmal bleiben aber Reste zurück. Diese erscheinen als dunkel-violette bis schwärzliche, rundliche Gebilde von 0,5 - 1.5 µm (Ery-Durchmesser ca. 7,5 µm). Beim Gesunden extrem selten, außer beim Neugeborenen. Bei Blutarmut mit Zerstörung der Erythrozyten (=hämolytische Anämien), B12/Folsäuremangelanämie und bei Chemotherapie häufiger. Und bei Milzunterfunktion.

Es ist schon sehr lange bekannt, dass Patienten ohne Milz vermehrt Erys mit Howell-Jolly-Körperchen im Blut haben. Immer wieder hat man versucht, die mikroskopische Zählung von Howell-Jolly-Erythrozyten als Test für eine verminderte oder fehlende Milzfunktion zu verwenden, die Ergebnisse waren aber schlecht. Viele Studien kamen zum Schluss, dass Howell-Jolly-Erythrozyten kein verlässlicher Indikator einer verminderten Milzfunktion sind.
Das lag aber auch daran, dass die Howell-Jolly-Erythrozyten mikroskopisch gezählt wurden und eine mikroskopische Zählung im Blut schwierig ist. Man erkennt Erys mit Howell-Jolly-Körperchen zwar recht gut, aber es gibt extrem wenige. Der Gesunde dürfte maximal nur ca. 0,004% haben. Das ist nur einer pro 25000 Erythrozyten (Harrod V. et al., Exp Hematol, 2007). Da wird das mikroskopische Zählen extrem aufwendig und auch zur Glücksache.
Verlässlichere Ergebnisse kann man erzielen, wenn man die Howell-Jolly-Erythrozyten mit speziellen Automaten, sog. Durchflusszytometern, zählen lässt. Dazu muss man nur die Howell-Jolly-Körperchen mit einem Fluoreszenzfarbstoff anfärben und das Gerät kann ohne Probleme in wenigen Minuten Millionen Erythrozyten messen und die Zahl der Howell-Jolly-Erythrozyten exakt bestimmen.

Referenzbereiche ("Normalwerte") der Howell-Jolly-Körperchen Erythrozyten bestimmt mittels Durchflusszytometrie

 
Quelle HJ-Ery (angegeben in % reifer Erys) Kontrollpopulation (Anzahl)
Harrod V.L., Experimental Hematology, 2007; 35: 179 0,002 ± 0,001 (MW±SD) Gesunde Freiwillige (n=50, 42±11 Jahre)
Rogers Z.R., Blood; 2011; 117(9): 2614 0,005 ± 0,006 (MW±SD) Kinder mit Sichelzellänämie aber normaler Milzfunktion im Tc-Scan; 8-18 Monate (n=23)

Gibt es Grenzen, die eine Milzunterfunktion wahrscheinlich machen?

Laut Berechnungen von Z.R. Rogers sprechen Werte ab ca. 0,07% für eine fehlende Milzfunktion, Harrod fand bei Sichelzellerkrankten nach Milzentfernung im Mittel Werte von 0,21%.

Anstieg nach Milzentfernung verzögert
P.U. Cameron fand 25 Tage nach operativer Milzentfernung mikroskopisch nur bei der Hälfte der Patienten Erythrozyten mit Howell-Jolly Körperchen, erst nach 100 Tagen bei fast allen Patienten. Daher muss man - auch wenn man durchflusszytometrisch viel sensitiver misst - nach Milzentfernung oder nach plötzlichen Veränderungen der Milzfunktion eine gewisse Verzögerung des Anstiegs der HJ-Erys erwarten (Cameron P.U., PLos ONE, 2011).



Die Bestimmung der Erys mit "argyrophilen" Einschlüssen

In drei Sätzen: Färbt man Erythrozyten mit einer einfachen Silberfärbung, dann erkennt man im Mikroskop in einigen Erys körnerartige Strukturen. Man weiß nur teilweise, was sie darstellen und nennt sie daher einfach nur "Silber-liebende" ("argyrophile") Einschlüsse, weil sie sich mit Silberfarbstoff anfärben. Was man aber weiß ist, dass es bei Milzunterfunktion mehr Erythrozyten mit solchen Einschlüssen gibt und dass sie daher als Maß für die Milzunterfunktion dienen können. 

Hat man kein Spezialmikroskop um die "Pitted Erythrozyten" zu erkennen und kein Durchflusszytometer um die Howell-Jolly-Körperchen exakt zu zählen, bliebe als Alternative, die Milzfunktion durch Zählung der Erythrozyten mit sog. argyrophilen Einschlüssen zu untersuchen. Dazu färbt man die Erythrozyten des Blutes mit einer Silbernitratlösung. Betrachtet man die so gefärbten Erythrozyten in einem ganz normalen Mikroskop, dann sieht man in einigen Erythrozyten ein oder zwei schwarzgraue Körner-artige Gebilde. Dabei dürfte es sich um Howell-Jolly-Körperchen handeln, um Pappenheimer-Körperchen (eisenhaltige Strukturen im Erythrozyten) aber auch um andere, noch nicht identifizierte Strukturen. Das Gemeinsame all dieser Strukturen: sie färben sich mit dem Silberfarbstoff an, man kann sie also "Silber-liebend", "argyro-phil" nennen. Daher der Ausdruck "argyrophile Einschlüsse".
Aber auch wenn man nicht genau weiß, was man da alles anfärbt, weiß man, dass es bei verminderter Milzfunktion mehr Erythrozyten mit argyrophilen Einschlusskörpern gibt: Bei 23 Gesunden lag der Anteil solcher Erythrozyten bei 0 bis 3,4%, bei Patienten nach Milzentfernung zwischen  11 und 52% (Tham K.T., Am J Clin Path, 1996). 
Es gibt noch wenige Studien zu dieser Methode, deswegen ist nicht klar, ob sie wirklich eine Alternative zu den Pitted Erythrozyten darstellen kann.



Die Bestimmung der IgM-Memory-B-Zellen

In drei Sätzen: man hat in der Milz eine besondere Art von Abwehrzellen beschrieben: die sog. IgM-Memory-B-Zellen. Diese Zellen gelangen aus der Milz auch ins Blut und sind dort bei Milzunterfunktion vermindert. Mit Hilfe eines Durchflusszytometers kann man sie recht einfach bestimmen und so die Milzfunktion testen.

Die bisher beschriebenen Methoden zur Testung der Milzfunktion haben ausschließlich die Erythrozyten-Filterfunktion der Milz getestet: ob es die Pitted Erythrozyten sind, Erys mit Howell-Jolly-Körperchen oder Erys mit argyrophilen Einschlüssen - all diese Dinge sollte die rote Pulpa der Milz herausfiltern/ beseitigen. Und wenn sie das nicht tut, hat man mehr davon im Blut. Auch der Technetium-Uptake testet letztlich diese Funktion.

Die IgM-Memory-Zellen kommen aber aus der weißen Pulpa und haben mit der Erythrozyten-Filterfunktion der Milz nichts zu tun.

Was ist das Besondere an IgM-Memory-B-Zellen?

Viele weiße Blutkörperchen, vor allem Lymphozyten, sind gegen bestimmte "Feinde" gerichtet. Z.B. gegen Masern-Viren oder andere Erreger. Memory-Zellen sind Lymphozyten, die schon einmal Kontakt mit diesem Feind hatten. Und wenn sie solchen Kontakt hatten, sind sie noch mehr auf ihn spezialisiert und können ihn noch besser bekämpfen, sollten sie ihm wieder begegnen.
Die typische Memory-B-Zelle trägt an Ihrer Oberfläche IgG-, IgA- oder selten IgE- Antikörper (das sind bestimmte Antikörperklassen). Die IgM-Memory-B-Zelle hingegen trägt, wie der Name vermuten lässt, IgM-Antikörper an der Oberfläche.
Und diese IgM-Memory-B-Zellen gibt es vor allem in der Milz.
Nur für immunologisch Interessierte: Diese Zellen haben daneben vielleicht noch andere Besonderheiten: im Gegensatz zu den normalen Memory-B-Zellen ist ihre Entwicklung offenbar nicht von T-Zellen abhängig und sie dürften sich nicht in den Zentren der Lymphfollikel entwickeln sondern in der Randzone/Marginalzone um die Follikel (Colombo M., Mol Med, 2013). Und vielleicht machen sie gar keine somatische Hypermutation nach Antigenkontakt durch sondern diversifizieren die Immunglobulingene durch antigenunabhängige Mechanismen - wären dann also keine echten Memory-Zellen. Andere sehen das ganz anders und halten die IgM-Memory-B-Zellen für relativ normale Memory-Zellen (Seifert M., PNAS, 2015).

Können die IgM-Memory-B-Zellen auch etwas Spezielles?

Ja, sie sind nicht nur etwas anders, sie können auch Besonderes: sie produzieren sehr rasch IgM-Antikörper gegen kapseltragende Bakterien (Meningokokken, Pneumokokken und Haemophilus influenzae) und helfen daher entscheidend bei deren rechtzeitiger Beseitigung mit.

Wo findet man die IgM-Memory-B-Zellen in der Milz?

Man findet sie in der weißen Pulpa, und da wiederum in der Randzone* der Lymphfollikel.

Komponenten der weißen Pulpa Weiße Pulpa der Milz
Schematisch dargestellt die Ansammlungen der Lymphozyten in der Milz:
Unten schematisch dargestellt kugelige Ansammlungen  - die Lymphfollikel.
In der Randzone* um den Lymphfollikel (dunkelgrauer Ring um den Follikel) befinden sich die IgM-Memory-B-Zellen.

*Ob man diese Randzone "Marginalzone" nennen sollte, ist umstritten. Viele tun es, und die IgM-Memory-B-Zellen werden daher oft auch als Marginalzonen-B-Zellen der Milz bezeichnet. Spezialisten der Milzanatomie meinen, man sollte den Ausdruck Marginalzone für diese Region um den Follikel vermeiden und empfehlen den Ausdruck Superfizialzone (Steiniger B.S., Immunology, 2015). Dementsprechend  ist auch der Ausdruck IgM-Memory-B-Zellen passender als Marginalzonen-B-Zellen.

Gibt es IgM-Memory-B-Zellen nur in der Milz?

Nein, man hat sie oder sehr ähnliche Zellen  auch an anderen Stellen gefunden, z.B. in den Gaumenmandeln, im lymphatischen Gewebe des Darmes, in Lymphknoten. Aber die IgM-Memory-B-Zellen, die man im Blut findet, stammen überwiegend aus der Milz. Was auch dazu passt, dass sie im Blut vermindert sind, wenn die Milz entfernt ist oder ihre Funktion eingeschränkt.

Wie bestimmt man die IgM-Memory-B-Zellen im Blut?

Wie gesagt ist das typische an diesen Memory-B-Zellen, dass sie an der Oberfläche IgM-Antikörper (und IgD-Antikörper) tragen. Dazu tragen sie noch das für Memory-B-Zellen typische CD27-Antigen. Markiert man diese Strukturen gleichzeitig mit entsprechenden fluoreszierenden Markern an, dann kann man die Zellen recht einfach mit sog. Durchflusszytometern erkennen und zählen.

Der Referenzbereich ("Normalwert") der IgM-Memory-B-Zellen im Blut

Der mittlere Wert wird bei Gesunden meist zwischen 10 und 20% angegeben, der Wertebereich ca. zwischen 5 und 40%. Beispiele in der Tabelle. Daraus einen gültigen Referenzbereich abzuleiten, ist wegen der niedrigen Fallzahlen schwierig.

Quelle IgM-Memory-B-Zellen (angegeben in % der B-Zellen) Kontrollpopulation (Anzahl)
Di Sabatino A., Am J Gastroent, 2005; 100: 1788 Median 13,7%, Werte zwischen 6,1 und 32% Gesunde Freiwillige (n=13)
Lammers A.J.J.J., Am J Hematol, 2012; 87: 484 15,5 ± 10,1% (MW±SD), Werte ca. zwischen 7 und 38% Gesunde Freiwillige (n=10)
Sanchez-Ramon S., Clin Immunol, 2008; 128: 314 22,3 ± 14,5% (MW±SD), kein Wertebereich angegeben Gesunde Freiwillige (n=50)
Di Sabatino A., Clin Gastroent Hepatol, 2006; 4: 179 Median 18,7%, Werte zwischen 9,7 und 36,8% Gesunde Freiwillige (n=35)


Wann findet man verminderte Konzentrationen der IgM-Memory-B-Zellen

Verminderungen der IgM-Memory-B-Zellen werden einerseits bei Immunschwächeerkrankungen beobachtet (z.B. bei der sog. CVID oder bei AIDS) und andererseits bei Fehlen der Milz oder Milzunterfunktion (Liste siehe oben).

Beispiel: Aus einer Studie von Di Sabatino, Am J Gastroent, 2005. Es fanden sich signifikant niedrigere Prozentsätze von IgM-Memory-B-Zellen bei entzündlichen Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa), die ja oft mit einer Unterfunktion der Milz verknüpft sind. Und natürlich nach Milzentfernung (dargestellt: Mittelwert und Wertebereich):

IgM-Memory-B-Zellen bei Morbus Crohn, Colitis ulcerosa und nach Milzentfernung

Ähnlich sieht es bei der Zöliakie aus, auch da sind die IgM-Memory-B-Zellen signifikant vermindert.

Wie schnell sinken die IgM-Memory-B-Zellen?

Der Wert sinkt in den ersten 20-30 Tagen nach Milzentfernung rasch, dann langsam weiter etwa 6 Monate lang, bevor er sich auf dem niedrigeren Niveau stabilisiert.  Daraus folgt, dass die IgM-Memory-B-Zellen erst ein halbes Jahr nach einer Milzentfernung oder einer anderen plötzlichen Veränderung der Milzfunktion eine aussagekräftige Aussage über die Milzfunktion erlauben (P.U. Cameron, PLos One, 2011).                         

Hat es Konsequenzen, wenn die IgM-Memory-B-Zellen vermindert sind?

Man nimmt an, dass die Verminderung der IgM-Memory-B-Zellen eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionen, insbesondere für  solche mit kapseltragenden Bakterien nach sich zieht. Das ist auch durchaus logisch, aber nicht so leicht eindeutig zu beweisen: Fakt ist zwar, dass man eine erhöhte Infektanfälligkeit in Patientengruppen mit verminderter IgM-Memory-B-Zellzahl findet. Aber nachzuweisen, dass die verminderte IgM-B-Memory-Zellen auch die Ursache der Infektanfälligkeit waren, ist sehr schwierig.

Kann man eine Grenze nennen, unter der das Infektionsrisiko sehr hoch wird?

Nein, so eine Grenze wurde noch nicht beschrieben. Die einzige m.W. in der Literatur beschriebene Entscheidungsgrenze stammt von A. Sabatino, der bei Zöliakiepatienten mit IgM-Memory-B-Zellen unter 10% vorbeugende Impfungen empfiehlt.

 

Andere Tests zur Beurteilung der Milzfunktion

Vereinzelt wurde in Studien versucht, die Reaktion auf Impfungen als Parameter für die Milzfunktion heranzuziehen. Man beobachtete nach Milzentfernung eine verminderte Produktion von Antikörpern nach bestimmten Impfungen.
Das Tuftsin, ein Stoff der in der Milz hergestellt wird, ist nach Milzentfernung, bei Sichelzellanämie und bei Zöliakie im Blut vermindert. Es könnte ein einfacher Parameter zur Beurteilung der Milzfunktion sein.
All diese Methoden haben aber bisher keine besondere Bedeutung in der Testung der Milzfunktion erlangt.  
 

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Letzte Änderung 2018-08-28