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Was versteht
man unter einer Leukozyturie?
Auch im normalen Harn finden sich weiße Blutkörperchen. Erst wenn diese vermehrt sind,
spricht man von Leukozyturie. In Zahlen ausgedrückt: wenn man mehr als 10 weiße
Blutkörperchen pro Mikroliter (µl) im Harn ausscheidet, nennt man das
Leukozyturie.
Bei einer Leukozyturie handelt es sich in den allermeisten Fällen um eine
Vermehrung von ganz bestimmten weißen Blutkörperchen und zwar den Neutrophilen Granulozyten.
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Leukozyten im Harn
So sehen weiße Blutkörperchen im
Mikroskop aus (ungefärbtes Präparat).
Genauer gesagt handelt es sich hierbei um neutrophile Granulozyten. Das ist im
ungefärbten Harnpräparat aber nur schlecht erkennbar. |
Warum untersucht man den Harn auf weiße
Blutkörperchen?
- Die Untersuchung des Eiweißes im Harn mittels Teststreifen gehört
zu den Routine-Tests bei Reihen- oder Gesundenuntersuchungen (Screening).
- Bei Beschwerden, die eine Erkrankung der Nieren, der
ableitenden Harnwege (Harnleiter, Harnblase, Harnröhre) oder auch der Prostata
vermuten lassen. Insbesondere bei Verdacht auf Infektionen im Bereich der Harnwege (Harnwegsinfekt)
wird eine Harnuntersuchung mit Bestimmung der Leukozytenzahl notwendig sein.
Einschub: das Harnsystem |
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Das Harnsystem
Das Blut fließt durch die Nieren. Harn wird durch die Nierenfilter, die
Glomeruli, abgefiltert. Der größte Teil der Flüssigkeit wird noch in der Niere
zurückgeholt, aber ca. 1.5 Liter fließen pro Tag in den Harnleiter, in die Blase und
werden schließlich über die Harnröhre ausgeschieden.
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Wie erkennt
man eine Leukozyturie?
Am häufigsten wird dazu eine Teststreifenuntersuchung eingesetzt. Mit ihr
lässt sich auf einfache Weise eine Vermehrung der weißen Blutkörperchen im Harn
nachweisen.
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Nachweis einer Leukozyturie mittels Teststreifen
Man taucht den Teststreifen kurz in den Harn und überprüft nach zwei Minuten, ob eine
Verfärbung des Leukozytenfeldes eingetreten ist.
Links zeigt sich das Leukozytenfeld violett verfärbt. Es wurden vermehrt Leukozyten
gefunden.
Zum Vergleich rechts ein Normalbefund, das Feld bleibt weiß.
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Welche anderen Nachweismethoden für
Leukozyten im Harn gibt es?
Neben dem Teststreifen ist die Untersuchung der Harns im Mikroskop die wichtigste
Nachweismethode. Meist wird zuerst eine Untersuchung mit dem Teststreifen durchgeführt.
Zeigt sich bei dieser ein abnormer Befund, wird eine mikroskopische Untersuchung
angeschlossen.
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Ursachen
einer Leukozyturie Bei leichter
Leukozyturie kommen sehr viele Ursachen in Frage. Jegliche Entzündung der Niere
oder der Harnwege kann eine leichte Leukozyturie verursachen. Dabei muss gar keine
Infektion vorliegen. So können z.B. Autoimmunerkrankungen wie eine Nierenentzündung bei
Lupus erythematodes oder Strahlenschäden der Harnblase eine leichte Leukozyturie
verursachen.
Bei stärkerer Leukozyturie liegt aber fast immer eine
Infektion im Bereich der Harnwege vor.
Eine Entzündung, die eine Leukozyturie im Harn verursacht, kann
vorkommen
- in der Harnblase (Zystitis)
- in der Niere und dem Nierenbecken (Pyelonephritis)
- in der Harnröhre (Urethritis)
- in der Vorsteherdrüse des Mannes (Prostatitis)
- im Harnleiter (Ureteritis)
- seltener im Nebenhoden (Epididymitis)
Infektionen im Bereich der Harnwege gehören zu den häufigsten
Infektionen überhaupt. Bei Erwachsenen sind Harnwegsinfekte besonders bei Frauen sehr
häufig.
Bei Erwachsenen bis zum 50 Lebensjahr sind Harnwegsinfekte bei der Frau etwa 50mal
häufiger als beim Mann. Im höheren Lebensalter steigt die Häufigkeit beim Mann an, weil
Erkrankungen der Prostata zunehmend Probleme bereiten.
Erreger der Harnwegsinfekte sind meist Bakterien (meist Escherichia coli, aber auch
viele andere kommen als Erreger vor. Auch Tuberkulose-Erreger kommen in Frage), seltener
Pilze (z.B. Candida), Einzeller (Trichomonas), bakterien-ähnliche Organismen (Chlamydien,
Mykoplasmen) oder Viren (Herpes).
Hinweise auf die Ursachen einer
Leukozyturie
Abgesehen von weiterführenden, aufwendigeren Untersuchungen kann
man mit relativ einfachen Mitteln bereits Hinweise auf die Ursache der Leukozyturie
erhalten.
Findet man
die Leukozyten in allen Harnportionen?
Man kann den Harn portioniert Sammeln (auch Zweigläserprobe genannt): In das erste Glas
kommen die ersten etwa 10 bis 15 ml (das ist sehr wenig; ein Achtel-Liter hat
125 ml). In das zweite Glas kommen die folgenden 200 ml. Ist die Konzentration
der Leukozyten im ersten Glas viel höher als im zweiten, spricht das für eine Erkrankung
in der Harnröhre (oder auch für eine Erkrankung der Prostata). Sind aber im zweiten Glas
genau so viele Leukozyten wie in der ersten Portion, spricht das für eine Erkrankung der
Harnblase, Harnleiter, Nierenbecken oder Nieren.
Findet man im Harn Leukozytenzylinder?
Sieht man im Mikroskop zylindrische Pakete von weißen Blutkörperchen (sog.
Leukozytenzylinder), dann spricht das für eine Ursache im Bereich der Nieren. Diese
Zylinder sind gewissermaßen Ausgüsse der kleinen Nierenröhrchen. Sie sind daher ein
Beweis, dass die Leukozyten bereits in der Niere vorhanden waren.
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Leukozytenzylinder
Stammen die Leukozyten des Harns aus der Niere, dann kann man auch oft Lukozytenzylinder
im Harn finden. Diese entstehen als Ausgüsse der kleinen Röhrchen, in denen der Harn in
der Niere fließt. |
Sind (neben den Leukozyten) auch
Bakterien im Harn vermehrt?
Das vermehrte Auftreten von Bakterien im Harn spricht bei Leukozyturie für eine
bakterielle Infektion als Ursache.
Die Bakterien kann man nachweisen
- bei der Untersuchung des Harns im Mikroskop
Das geht sehr schnell. Man kann aber nicht alle Bakterien und schon gar nicht alle
Erreger sehen. Daher: Findet man neben der Leukozyturie eine größere Menge Bakterien,
spricht das für eine bakterielle Harnwegsinfektion, findet man aber keine Bakterien, kann
trotzdem eine bakterielle Infektion vorliegen.
- Durch Beobachtung des Bakterienwachstums auf einem in den Harn
getauchten Nährboden (sog. Harnkultur).
Das dauert länger, weil der Nährboden einige Zeit bebrütet werden muss. Findet
man dann bei der Kultur, dass mehr als 100000 Bakterien in einem Milliliter Harn waren,
spricht das für eine Harnwegsinfektion. Manche Bakterien wachsen aber nicht bei einer
normalen Harnkultur. Auch andere Erreger eines Harnwegsinfekts bleiben bei der üblichen
Kultur unbemerkt. Es gilt daher ähnlich wie für das Mikroskop: Findet man eine größere
Bakterienzahl, spricht das für eine bakterielle Harnwegsinfektion, findet man aber keine
Bakterien, kann trotzdem eine bakterielle Infektion vorliegen.
- durch Verfärbung des Nitrit-Feldes am
Mehrfach-Harn-Teststreifen.
Die einfachste aber unsicherste Methode.
Manche Bakterien können aus dem Nitrat des Harns Nitrit bilden, das sich mit einem
Teststreifen nachweisen lässt. Wenn das Teststreifenfeld Nitrit anzeigt spricht das daher
für einen bakteriellen Harnwegsinfekt. Wenn das Feld aber nichts anzeigt, sagt das fast
gar nichts, weil bei vielen Harnwegsinfekten kein Nitrit gebildet wird.
Sind auch Pilze im Harn?
Das vermehrte Auftreten von Pilzen im Harn kann ein Hinweis auf eine Pilz-verursachte
Entzündung der Harnwege sein.
Nachweisen kann man die Pilze bei der mikroskopischen Harnuntersuchung.
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Andere
Fragen bei Leukozyturie
Wie gewinnt man den Harn für die
Leukozytenuntersuchung?
Abgesehen von speziellen Fragestellungen (siehe Zweigläserprobe
weiter oben) reicht für die Untersuchung der Leukozyten der sog. Spontanurin
aus. Spontanurin ist eine Harnprobe, die direkt vom Patienten ohne irgendwelche besonderen
Vorkehrungen gesammelt wird.
Will man auch die Bakterienzahl im Harn ermitteln, wird man meist den sog. Mittelstrahl-Harn
untersuchen. Dabei wird die erste Harnportion (in die Toilette) verworfen und erst danach
wird der zu untersuchende Harn im Gefäß aufgefangen.
Die Frau muss dazu beim Harnlassen gleichzeitig die Schamlippen gespreizt halten,
der Mann die Vorhaut zurückziehen. Der Rand und die innere Wand des Gefäßes dürfen
nicht berührt werden oder mit Kleidung, Beinen oder Genitalien in Berührung kommen. Man
kann sich vorstellen, dass dies in der Praxis enorme Probleme verursacht. Insbesondere
Frauen werden dabei ja fast akrobatische Fähigkeiten abverlangt.
Die Haltbarkeit des Harns
Ist der Harn sauer (pH niedrig) und konzentriert (hyperton, hohe Dichte), dann halten sich
die weißen Blutkörperchen länger und sind 24h lang im Mikroskop erkennbar.
Ist der Harn hingegen alkalisch (pH hoch), gering konzentriert (hypoton, niedrige Dichte)
und/oder liegt eine Infektion vor, können bereits innerhalb von 3h die Hälfte der
weißen Blutkörperchen aufgelöst sein. Mit dem Teststreifen würde man ihre Enzyme dann
zwar immer noch nachweisen können, im Mikroskop sieht man sie aber nicht mehr.
Kann eine Harnwegsinfektion ohne
Leukozyturie ablaufen?
Findet man keine Leukozyten im Harn ist ein klassischer Harnwegsinfekt (Pyelonephritis
oder Harnblasenentzündung) sehr unwahrscheinlich. Ausnahmen kommen aber vor, wenn keine
Verbindung zwischen Ort der Infektion und untersuchtem Harn besteht. Wenn z.B. der
Harnleiter verschlossen ist und sich die Infektion oberhalb davon abspielt. Oder bei einem
Abszess (umschriebene Eiteransammlung in einem Hohlraum) der Niere.
Außerdem gibt es spezielle Formen der infektiösen Harnröhrenentzündung (durch
Chlamydien, Mykoplasmen oder Gonokokken), bei denen man mit dem Testreifen nicht immer
Leukozyten findet.
Auch bei Harnwegsinfektionen von Kindern unter 2 Jahren fand man in einer neueren
Studie, dass bei jedem zehnten Kind der Teststreifen negativ blieb. Man schloss daraus,
dass in dieser Altersgruppe ein negativer Teststreifenbefund nicht ausreicht, um eine
Harnwegsinfektion sicher auszuschließen (A. Doley, Emergency Medicine, 2003).
Was kann die Ursache sein, wenn Mikroskop
und Teststreifen unterschiedliche Ergebnisse liefern?
- Teststreifen zeigt Leukozyten, im Mikroskop findet man aber
keine
Kann vorkommen, wenn die Leukozyten im Harn bereits zerstört sind. Dann kann der
Teststreifen die Inhaltsstoffe der Leukozyten noch nachweisen, im Mikroskop sieht man aber
keine. Ursachen: Langes Stehenlassen des Harns, dünner (=hypotoner) Harn, basischer Harn
("zu wenig Säure im Harn", pH > 6).
Sind im Harn Oberflächenzellen der Schleimhäute (Epithelzellen) stark vermehrt, kann der
Teststreifen fälschlicherweise Leukozyten anzeigen.
- Im Mikroskop findet man Leukozyten, Teststreifen zeigt aber
keine an
Sehr hohe Eiweißkonzentrationen (mehr als 5 g/l) oder Glukose("Zucker")-Spiegel
(mehr als 20 g/l) können dazu führen, dass der Teststreifen die Leukozyten
übersieht.
Was ist eine Pyurie?
Früher wurde darunter nur das mit freiem Auge erkennbare Auftreten von Eiter im Harn
(also eine massive Leukozytenausscheidung) verstanden. Heute wird unter Pyurie oft schon
jedes vermehrte Auftreten von Leukozyten im Harn verstanden. Der Ausdruck Pyurie wird also
gleichbedeutend mit Leukozyturie verwendet.
Man findet Leukozyten, es scheinen
aber keine Bakterien vorhanden zu sein.
Findet man bei Leukozyturie mit der üblichen Bakterienkultur keine Bakterien kann man an
eine Infektion mit Tuberkulose-Bakterien, Chlamydien, Mykoplasmen oder Gonokokken (Erreger
der Gonorrhoe), Trichomonaden (das sind einzellige Krankheitserreger) oder an Pilze
denken.
Wie oben erwähnt kommen bei leichter Leukozyturie aber auch andere, nicht-infektiöse
Ursachen in Frage (z.B. Autoimmunerkrankungen der Niere, Tumoren des Harntraktes,
Bestrahlungen, ev. auch Harnsteine).
Behandlung ohne Abklärung?
In vielen Bereichen der Medizin ist die Behandlung einer Infektion mit
Antibiotika ohne vorherige exakte Diagnose und Bestimmung des Erregers verpönt
(Anmerkung: auch wenn es häufig so gehandhabt wird). Bei dem Verdacht auf eine einfache,
untere Harnwegsinfektion (z.B. Blaseninfektion) der Frau ist es hingegen eine anerkannte
Praxis, ohne exakte Erregerbestimmung und ohne Suche nach einer bestimmten Ursache mit
Antibiotika zu behandeln. Nur wenn die Behandlung erfolglos bleibt oder die
Harnwegsinfekte immer wieder kehren, wird man genauer nach der Ursache suchen.
Ob man bei Männern bereits bei einer nur einmalig auftretenden, unkomplizierten
Harnwegsinfektion nach einer Ursache suchen sollte, wird von den Experten nicht
einheitlich beurteilt.
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