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Enzyme und enzymatische Techniken in der Labormedizin
Univ.Prof.Dr.med. Wolfgang Hübl
 
Zusammenfassung
  • Enzyme sind Stoffe, die chemische Reaktionen in biologischen Systemen extrem beschleunigen können, ohne dabei selbst verbraucht zu werden. Sie werden auch Biokatalysatoren genannt. Ohne Enzyme könnte unser Stoffwechsel nicht ablaufen.
      
  • Die Vermehrung (seltener die Verminderung) bestimmter Enzyme im Blut kann ein Hinweis auf bestimmte Krankheiten sein. Bestimmungen der Enzymaktivität im Blut sind daher häufig Teil einer Laboruntersuchung. Selten bestimmt man Enzyme in anderen Proben (Harn, Stuhl).
      
  • Enzyme werden in der Labormedizin auch als Hilfsmittel bei der Bestimmung anderer Laborwerte (z.B. Blutzucker oder Harnsäure) eingesetzt. Auch Antigen-Antikörper Reaktionen kann man durch Kopplung mit einer enzymatischen Farbreaktion sichtbar machen.
     
  • Der Ablauf enzymatischer Reaktionen lässt sich durch Enzymkinetiken beschreiben, deren wichtigste Faktoren die Substratkonzentration (S), die Reaktionsgeschwindigkeit (v), die Michaelis-Konstante (Km) und die Maximalgeschwindigkeit (Vmax) sind.
  
  

 

 

I. Einleitung

 

Woher kommt der Name "Enzym"

Enzym: Im Griechischen heißt "zymoma" Hefe (oder Sauerteig), die Silbe "en-" steht im Griechischen für "in". Hefezellen enthalten Enzyme (früher auch Fermente genannt).
Um 1900 isolierte der Münchner Chemiker Enzyme aus Hefezellen. Er bekam später für seine "Arbeiten zur zellfreien Gärung" den Nobelpreis.

 

Was sind Enzyme?

Enzyme sind Stoffe, die chemische Reaktionen in biologischen Systemen extrem beschleunigen können, ohne dabei selbst verändert oder verbraucht zu werden. Sie werden auch Biokatalysatoren genannt.
Die Enzymwirkung kann eine Reaktion Tausend-Milliarden-fach (1012) und noch viel mehr beschleunigen (Bereich etwa 108 bis 1020-fach). Viele Stoffwechselvorgänge in unserem Körper würden ohne Enzyme praktisch nicht ablaufen können. Reaktionen, die nur Millisekunden brauchen, würden ohne Enzyme Jahre benötigen. Auch wenn es streng genommen nicht stimmt, kann man daher sagen: erst durch Enzymwirkung werden diese Stoffwechselvorgänge möglich.
Fast alle Enzyme unseres Körpers gehören zur Gruppe der Proteine (Eiweißstoffe).

 

Wie funktionieren Enzyme?

Enzyme haben ein sog. aktives Zentrum. An dieses wird der umzuwandelnde Stoff, nennen wir ihn "S", gebunden. Danach kommt es zu Wechselwirkungen zwischen Stoff S und dem Enzym. Dabei wird Stoff S ein wenig verändert und dadurch reaktionsbereit. Noch während der Stoff S mit dem Enzym verbunden ist, erfolgt die eigentliche Reaktion, die Umwandlung in einen anderen Stoff, nennen wir ihn "P". Stoff P trennt sich dann vom Enzym. Das Enzym ist somit frei, und kann wieder einen Stoff S anlagern.

Prinzip einer Enzymreaktion (Animation) Schema einer enzymatisch vermittelten Reaktion

S bezeichnet den Ausgangsstoff, das Substrat

P bezeichnet das Produkt der Reaktion

Die Darstellung ist vereinfachend. Meist sind mehrere Stoffe an der Substrat-Produkt-Reaktion beteiligt.

Aus Gründen der Anschaulichkeit läuft diese Animation sehr langsam ab. In der Realität ist das Gegenteil der Fall. Ein einziges Enzym-Molekül ist pro Minute an der Umwandlung von Tausenden bis Millionen von Substratmolekülen beteiligt (diese Zahl, auch Wechselzahl genannt, ist von Enzym zu Enzym verschieden).

 

Definitionen

  • Der Stoff, dessen Reaktion/Umsetzung das Enzym beschleunigt, nennt man das Substrat.
     
  • Der Stoff, der bei einer Enzym-vermittelten Umwandlung entsteht, nennt man das Produkt.

 

Enzyme sind wählerisch (spezifisch)

  • Substratspezifität: Ein Enzym reagiert meist nur mit einem ganz bestimmten Substrat (Stoff). Andere, selbst sehr ähnliche Stoffe, passen nicht in das aktive Zentrum des Enzyms.
    Manche Enzyme reagieren zwar mit verschiedenen Stoffen, aber dann meist mit einer ganz bestimmten chemischen Gruppe oder Verbindungsart, die in diesen verschiedenen Stoffen in gleicher Weise vorkommt.
  • Reaktionsspezifität: Ein Enzym löst meist nur eine ganz bestimmte Reaktion aus.

 

Enzymnamen tragen meist die Endung "-ase"

  • Die Endung des Enzymnamens ist im Allgemeinen "-ase".
  • Der erste Teil des Namens sagt oft etwas über das Substrat des Enzyms aus (z.B.Lipase: das Fett-(Lipid-)spaltende Enzym der Bauchspeicheldrüse).
     
  • Aber auch das Produkt kann im Namen aufscheinen (z.B. Glutamat-Pyruvat-Transaminase = GPT, die in der Leber vorkommt und heute ALT genannt wird).

Die internationale Vereinigung für Biochemie hat zwar genaue Regeln für die Nomenklatur der Enzyme aufgestellt, in der Medizin werden aber vielfach davon abweichende Namen verwendet.

 

Welche Bedeutung haben Enzyme in der Labormedizin?


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II. Messung von Enzymen im Blut (bzw. Serum)
 

 

A. Grundlagen

Die Einführung von Enzymbestimmungen in den 60er- und 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts war eine ganz wesentliche Entwicklung in der Labormedizin. Manche der im Laufe der Jahre eingeführten Enzymtests haben sich zwar nicht durchgesetzt und wurden wieder verlassen, die heute noch durchgeführten Tests sind aber ein wichtiger und selbstverständlicher Teil einer medizinischen Laboruntersuchung.

 

Aus geschädigten Zellen gelangen Enzyme ins Blut
Wenn Zellen geschädigt werden, dann werden ihre Zellmembranen (Hüllen) löchrig und durchlässig. Verschiedene Stoffe treten dann aus den Zellen aus und gelangen ins Blut. Darunter sind auch Enzyme.


Die Enzymbestimmung zeigt, welches Organ geschädigt ist
Da bestimmte Enzyme in bestimmten Organen vorkommen, zeigt das Auftreten bzw. die Vermehrung eines bestimmten Enzyms im Blut die Schädigung eines bestimmten Organs an.

Enzym (Abkürzung) Mögliche Ursache einer Vermehrung des Enzyms im Blut
Alanin-Aminotransferase (ALT, ALAT)
[früher Glutamat-Pyruvat-Transaminase (GPT)]
Schädigungen der Leber
Aspartat-Aminotransferase (AST, ASAT)
[früher Glutamat-Oxalacetat-Transaminase (GOT)]
Schädigungen der Leber und des Muskels
Gamma-Glutamyl-Transferase (GGT) Krankheiten der Leber und der Gallenwege
Alkalische Phosphatase (AP, ALP) Krankheiten der Leber, der Gallenwege und des Knochens
Lipase Schädigungen der Bauchspeicheldrüse (z.B. Pankreatitis)
Kreatinphosphokinase (CK) Muskelschäden, (Herzmuskelschäden)
Kreatinphosphokinase MB-Typ (CK-MB) Herzmuskelschäden (z.B. Infarkt)

 

Auch Verminderungen von Enzymen im Blut können Ausdruck einer Erkrankung sein
Zu nennen wäre hier vor allem die Verminderung der in der Leber hergestellten Cholinesterase bei Lebererkrankungen. Sehr selten ist die durch eine Erbkrankheit bedingte Verminderung der Alkalischen Phosphatase.

 

Wie bestimmt man ein Enzym im Blut ?
Die obigen Absätze haben die Wichtigkeit der Enzymbestimmungen im Blut dargelegt, aber wie kann man Enzyme im Blut, genauer gesagt in der Blutflüssigkeit (im Serum) nachweisen? Da gibt es zwei prinzipiell unterschiedliche Methoden

  • Direkte Bestimmung der Enzymkonzentration
    (schwierig, daher selten durchgeführt)
     
    Man kann ein Enzym im Serum mit Spezialmethoden direkt nachweisen und seine Konzentration bestimmen. Das funktioniert z.B., indem man spezielle Antikörper gegen das Enzym herstellt. Eine solche Bestimmungsmethode wird zur Bestimmung eines Herz-Enzyms (der CK-MB) fallweise eingesetzt. Im Allgemeinen ist der direkte Enzymnachweis aber zu aufwändig, auch weil Enzyme im Serum nur in sehr geringer Konzentration vorhanden sind. Es gibt elegantere Wege, Enzyme zu bestimmen.
     
    Enzyme sind im Serum nur in sehr geringer Konzentration vorhanden
    Die Darstellung links symbolisiert ein Enzymmolekül in der Blutflüssigkeit (Serum). Die Enzyme liegen im Serum nur in sehr geringer Konzentration vor. Eine direkte Bestimmung, also eine Bestimmung des Enzyms selbst, ist möglich aber oft schwierig.

 

  • Bestimmung der Aktivität des Enzyms im Serum
    (für die meisten Enzyme ist dies die Methode der Wahl )

    Wie oben erwähnt, ist ein einziges Enzym-Molekül in der Lage, in einer Minute Zig-Tausende Substrat-Moleküle umzuwandeln. Das macht man sich zunutze um Enzyme nachzuweisen:
    Man bietet dem Enzym ein geeignetes Substrat an, lässt das Enzym eine Zeit lang arbeiten und misst dann die Zig-Tausend entstandenen Produkt-Moleküle. Das ist meist leichter als das eine Enzym-Molekül selbst nachzuweisen.
    Statt zu messen, wieviel Produkt entstanden sind, kann man natürlich auch messen, wieviel Substrat verschwunden ist.
    Man muss sich zwar bewusst sein, dass man so nicht die Menge des Enzyms sondern seine Aktivität im Blut bestimmt, das ist aber kein großes Problem. Unter geeigneten Bedingungen ist die Aktivität zur Enzymmenge proportional.
     
    Dem Enzym wird Substrat angeboten (graue Kugeln) Bestimmung der Enzymaktivität im Serum

    1. Schritt: Man setzt dem Serum Substrat zu (graue Kugeln). Unter geeigneten Bedingungen (optimaler pH-Wert, richtige Temperatur) wird das Enzym damit beginnen, das Substrat umzusetzen. Und zwar sehr große Mengen, viel mehr als in den Abbildung dargestellt werden kann.
    Das Enzym hat das Substrat telweise zum Produkt umgewandelt (orangene Kugeln). 2. Schritt: Nach einer bestimmten Zeit misst man, wie viele Substratmoleküle umgesetzt sind, also wie viele orangene Kugeln entstanden sind (für die meisten Enzymmessungen genügt dazu ein einfaches Photometer). Alternativ kann man auch die Abnahme des Substrates (der grauen Kugeln) messen.
    Das Ergebnis ist die Anzahl der umgewandelten Moleküle pro Zeiteinheit, also anders ausgedrückt, die Reaktionsgeschwindigkeit.
    Doppelt so viel Enzym wandelt doppelt so viel Substrat um (bei Substratüberschuss!). Je mehr Enzym im Serum, desto mehr Substrat wird umgesetzt.
    Waren zwei Enzyme im Serum, ist die Reaktionsgeschwindigkeit doppelt so hoch und es werden doppelt so viele orangene Kugeln produziert. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist also proportional zur Enzymkonzentration.

 

 

Wovon hängt die Reaktionsgeschwindigkeit wirklich ab?

Es scheint, als hätten wir eine einfache Möglichkeit gefunden, auf die Enzymmenge im Serum rückzuschließen.
Aber ist es tatsächlich so? Hängt die Reaktionsgeschwindigkeit wirklich nur von der Enzymmenge ab? Oder auch von der zugesetzten Substratmenge?

Mit dieser Problematik befassten sich vor ca. 100 Jahren der Deutsch-Amerikaner Michaelis und die Kanadierin Menten und sie beschrieben folgende Beziehung zwischen Substratkonzentration und Reaktionsgeschwindigkeit (bei konstanter Enzymkonzentration):

Michaelis-Menten-Graph Michaelis-Menten-Kurve
Zeigt die Abhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von der Substratkonzentration.

Ist kein Substrat vorhanden (ganz links) findet auch keine Reaktion statt. Steigt die Substratkonzentration an, steigt auch die Reaktionsgeschwindigkeit. Steigt die Substratkonzentration weiter, nähert sich die Reaktionsgeschwindigkeit einer Maximalgeschwindigkeit (Vmax).

Dieses Diagramm zeigt uns, dass die Reaktionsgeschwindigkeit mit zunehmender Substratkonzentration steigt. Aber nur anfangs. Wird die Substratkonzentration sehr hoch, nähert sich die Reaktionsgeschwindigkeit einem Maximum, das nicht mehr überschritten wird.
Man kann sich das auch recht gut vorstellen: bei niedrigen Substratkonzentration (im Diagramm links) ist wenig Substrat aber relativ viel Enzym vorhanden. Bietet man dem Enzym mehr Substrat, dann wird es auch mehr umsetzen. Steigt die Substratkonzentration aber weiter (im Diagramm rechts) ist das vorhandene Enzym irgendwann gesättigt. Mehr Substrat kann es dann nicht mehr umsetzen, auch wenn man noch mehr dazugibt

 

Wovon hängt die Reaktionsgeschwindigkeit ab, wenn man Substrat im Überschuss dazugibt?

Gibt man Substrat im Überschuss dazu, dann erreicht man die Maximalgeschwindigkeit Vmax. Und wovon hängt die Höhe von Vmax ab? Von der Enzymmenge. Mehr Enzym kann auch mehr umsetzen.

Reaktionen bei hoher und bei niedriger Enzymkonzentration Michaelis-Menten-Kurven bei zwei verschiedenen Enzymkonzentrationen
Die grüne Kurve beschreibt ein System mit niedriger, die blaue Kurve eines mit hoher Enzymkonzentration. Je höher die Enzymkonzentration, desto höher ist die erreichbare Maximalgeschwindigkeit Vmax.

 

Was bedeutet das für die Enzymbestimmungen im Serum?

Da man bei der Untersuchung auf die Enzymmenge rückschließen will, muss in den Testansätzen zur Bestimmung von Enzymen im Serum immer ein Überschuss von Substrat vorhanden sein. Dann hängt die Reaktionsgeschwindigkeit und damit die gemessene Enzymaktivität tatsächlich nur mehr von der Enzymmenge ab.
Daneben müssen natürlich die übrigen Reaktionsbedingungen (vor allem Temperatur, pH-Wert), konstant gehalten werden.

 

Werden Enzyme auch in anderen Probenmaterialien untersucht?

Ja, aber selten. So kann die Verminderung des Chymotrypsins oder der Elastase im Stuhl Hinweis auf ein Problem der Bauchspeicheldrüse sein. Teilweise misst man auch noch die Amylase im Harn, deren Erhöhung Zeichen einer Schädigung von Verdauungsdrüsen (Bauchspeicheldrüse, Ohrspeicheldrüse) sein kann. Andere Enzyme gelangen kaum in den Harn (sind zu groß).

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B. Enzymmessung in der Praxis

Vieles wurde in den obigen Darstellungen zum besseren Verständnis stark vereinfacht dargestellt. Ein paar Dinge seien daher nachträglich ergänzt:

 

Man muss oft mehrere Substanzen zuführen

Oft reicht es nicht, nur ein Substrat zuzuführen, man muss 2 oder mehrere Stoffe hinzugeben. Auch spezielle Inhibitoren (Hemmstoffe) oder Aktivatoren können nötig sein.

 

Die Detektion des Substratumsatzes ist nicht immer so einfach

Wie oben dargestellt, ist es zur Ermittlung der Enzymaktivität entscheidend zu wissen, wie viel Substrat pro Zeiteinheit umgesetzt wurde. Und es wurde gesagt, man misst einfach das entstehende Produkt im Photometer. Das ist die einfachste Möglichkeit. Und für manche Enzyme gibt es tatsächlich solche Nachweisreaktionen, z.B. für die Gamma-Glutamyl-Transferase (GGT).
Bietet man diesem Enzym zwei bestimmte Substrate dann entsteht als Produkt ein Farbstoff, den man im Photometer messen kann.

Reaktionsgleichung des Nachweises der Gamma-GT Messung der Aktivität der Gamma-GT
Lassen Sie sich durch das Chemie-Chinesisch nicht abschrecken. Es ist ganz einfach. Oben sind die 2 Substrate, die im Testansatz im Überschuss enthalten sind. Unter Wirkung der Gamma-GT (aus dem beigemischten Serum) entstehen die 2 untenstehenden Produkte. Eines davon (violett unterlegt) kann man im Photometer bei 405 nm messen.

Für viele anderen Enzyme ist es aber nicht so einfach. Wenn man die Zunahme des entstehenden Produkts nicht im Photometer messen kann und auch die Messung der Abnahme des Substrats (als zweitbeste Möglichkeit) nicht möglich ist, muss man andere Wege suchen.

Meist wird man mit den bei der Enzymreaktion entstehenden Produkten eine weitere chemische Reaktion einleiten. Man wird eine Reaktion wählen, bei der ein photometrisch zu messendes Substrat oder Produkt vorkommt. Diese zweite Reaktion wird auch Indikatorreaktion genannt.
Man muss dem Testansatz natürlich alle notwendigen Reagenzien in ausreichender Menge hinzufügen, damit die Indikatorreaktion unbehindert ablaufen kann. Dann sind die Veränderungen der Reagenzien der Indikatorreaktion ein Maß für die zu bestimmende Enzymaktivität.

Bei der Bestimmung der AST bedarf es zusätzlich einer Indikatorreaktion Messung der Aktivität der AST (=GOT)
Bei der eigentlichen Reaktion des Enzyms (oben) bietet sich keine Möglichkeit einer photometrischen Beobachtung.

Also gibt man noch Reagenzien für eine weitere Reaktion in den Testansatz, darunter auch ein Enzym, die Malatdehydrogenase (MDH). Diese wandelt das in der ersten Reaktion entstandene Oxalacetat in Malat um. Dabei wird NADH/H+ verbraucht.
Die Abnahme des NADH/H+ kann man photometrisch bei 340 nm messen.

Geschichtliches: Enzym-Tests, bei denen NADP oder NAD eine Rolle spielen, werden auch "optische Tests nach Warburg" genannt, weil Otto Warburg diese Methode eingeführt hat.

Das ist nur ein Beispiel. Viele andere Indikatorreaktionen, auch zweistufige, sind bei Enzymanalysen in Verwendung. 

Andere als photometrische Methoden zur Detektion des Substratumsatzes (z.B. Fluorimetrische, Titrimetrische) werden im Routinelabor nicht verwendet.

 

Die Messzeitpunkte: Fixed-Time oder Continuous Monitoring

Um die Reaktionsgeschwindigkeit zu ermitteln, muss man das Ausmaß der Veränderung (Zunahme des Produkts oder Abnahme des Substrats) in einem bestimmten Zeitintervall bestimmen. Theoretisch reicht es, wenn man zwei Messpunkte hat. Die Änderung der Extinktion dividiert durch die verstrichene Zeit sind dann ein Maß für die Reaktionsgeschwindigkeit. So arbeiten die sog. Fixed-Time-Reactions bzw. Zweipunktmessungen (manchmal fälschlich Endpunktmessung* genannt).
Vorzuziehen sind aber Continuous-Monitoring Methoden (Mehrpunktmessungen), bei denen öfter gemessen wird. Aus dem Verlauf der Kurve, die man dabei erhält, kann man besser erkennen, wenn mit der Analyse der Probe etwas nicht in Ordnung war.
*Das wäre schlecht, wenn bei der zweiten Messung schon der Endpunkt der Reaktion erreicht wäre. Das hieße, dass die Reaktion schon vorbei war. Dann würde die Berechnung der Geschwindigkeit nicht stimmen.
**Die Mehrpunktmessungen werden manchmal den Zweipunktmessungen als "kinetische Methoden" gegenübergestellt. Das ist ungenau. Sowohl die Zweipunktmessung als auch die Mehrpunktmessung werden vorgenommen solange die Reaktion noch läuft und man ermittelt bei beiden eine Geschwindigkeit. Sie sind also beide "kinetische" Methoden

 

Einheiten

Zur Angabe der Enzymaktivität wird meist die Einheit IU/l verwendet, also International Unit (Internationale Einheit) pro Liter Serum.

Ein IU ist definiert als die Enzymaktivität bei der 1 µmol Substrat in einer Minute unter Standardbedingungen umgesetzt wird.

Nicht durchgesetzt hat sich in der Medizin die SI-Norm Einheit katal/l (kat/l). Sie beschreibt den Umsatz von 1 mol/sek. 1 kat/l ist eine extrem hohe Enzymaktivität und entspräche 60 Millionen IU/l. Umgekehrt entspricht 1 IU 16.7 nkat/l (nanokatal/l).

 

Enzymreaktionen sind sehr empfindlich

An sich sind Messungen der Enzymaktivitäten heute in jedem Labor zur Routine geworden und die Werte unterschiedlicher Labors kann man heute halbwegs vergleichen. Der Weg dorthin war aber weit. Früher waren Werte unterschiedlicher Labors kaum vergleichbar. Das lag an der großen Empfindlichkeit der Tests.

So wird die Enzymaktivität beeinflusst von der Reaktionstemperatur, vom pH des Puffers aber auch von der Art des Puffers. Auch die Art des Substrates und andere Testzusätze spielen eine Rolle. Und selbst das Ausmaß der Verdünnung des Serums im Testansatz kann Einfluss auf das Ergebnis haben (damit ist natürlich ein über den berechenbaren Verdünnungseffekt hinausgehender Einfluss gemeint).

Um dies in den Griff zu bekommen, haben die nationalen und internationalen labormedizinischen Gesellschaften jahrzehntelang versucht, eine Vereinheitlichung zu erreichen. Durch Vorgabe von Referenzmethoden, Empfehlung einer Messtemperatur und durch Entwicklung von Referenzstandards (Proben mit genau definierter Enzymaktivität).


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III. Einsatz von Enzymen als Reagenzien in Labortests

 

 

A. Enzyme in der "Routinechemie"

Eine wichtige Anwendung von Enzymen in der Labormedizin ist ihre Verwendung zur Bestimmung von anderen Laborwerten.

Die Messung von Harnsäure im Blut
Dies sei anhand eines Beispiels dargestellt: Nehmen wir an, wir möchten die Konzentration der Harnsäure im Blut bzw. im Serum messen (Harnsäure spielt bei der Erkennung der Gicht eine Rolle).

Herkömmliche Reaktionen sind kompliziert und unspezifisch
So wie für viele andere Blutbestandteile gibt es auch für Harnsäure die Möglichkeit, sie mit herkömmlichen Reagenzien zu bestimmen. So ergeben Harnsäure und Phosphorwolframsäure unter geeigneten Bedingungen eine blaue Verbindung, die man im Photometer messen könnte. Diese Methoden haben aber Nachteile: sie sind kompliziert und, was noch schlimmer ist, sie sind meist nicht sehr spezifisch. Das heißt, eine Farbreaktion entsteht nicht nur mit dem gewünschten Analyt sondern auch mit anderen Stoffen. Es gibt also meist eine Reihe von Stoffen, die eine solche Farbreaktion stören können. In Frage kommen z.B. körpereigene Störfaktoren oder Medikamente.

Enzyme sind spezifisch
Viele Enzyme  reagieren hingegen nur mit einem ganz bestimmten Stoff, sind also spezifisch. Andere Stoffe können da kaum mitreagieren und stören. Und für die Harnsäure gibt es ein ideales Enzym, das ist die Uricase. Die Uricase baut Harnsäure ab. Gibt man Uricase zum Serum dazu, wird die Harnsäure abgebaut. Da die Harnsäure bei 290 nm Licht absorbiert, kann man das glücklicher Weise im Photometer beobachten:

Abbau der Harnsäure durch das Enzym Uricase Abbau der Harnsäure durch Uricase

Anfangs misst man eine relativ hohe Extinktion bei 290 nm (1). Nach Zugabe der Uricase (2) nimmt die Harnsäurekonzentration und damit die Extinktion ab (3). Irgendwann ist die ganze Harnsäure abgebaut und die Extinktion ändert sich nicht mehr (4).

 

Die Harnsäure ist jetzt abgebaut und wir haben es beobachtet. Wie kommt man aber jetzt zur Harnsäurekonzentration. Da gibt es zwei Möglichkeiten.

  • Die Endpunkt-Methode (korrekter: Äquilibrium-Methode)
    Dabei lässt man die Reaktion wie oben beschrieben ablaufen. Man misst die Extinktion 2 Mal: Einmal den Ausgangswert vor Zugabe des Enzyms und nach Erreichen des Endwertes. Die Differenz zwischen Ausgangswert und Endwert (multipliziert mit einem entsprechenden Faktor) entspricht der Harnsäurekonzentration.
     
    Aus Ausgangs- und Endwert kann man die Harnsäurekonzentration berechnen Endpunktmethode
    Vorteile: Enzymmenge, pH, Reaktionstemperatur und selbst das Zeitintervall müssen nicht so genau sein, solange man sicher ist, dass die Reaktion beim Endwert angelangt ist, bevor man die 2. Messung durchführt.
    Nachteile: Man braucht eine relativ große Enzymmenge, damit die Erreichung der Endwertes nicht zu lange dauert.

     

  • Kinetische Methoden
    Diese haben folgende Grundlage: Unter geeigneten Bedingungen ist die Geschwindigkeit, mit der das Substrat (z.B. die Harnsäure) abgebaut wird, proportional zur Menge vorhandenen Substrats. Man kann damit aus der Geschwindigkeit des Abbaus, also aus der Steilheit des Abfalls der Kurve, auf die Substratkonzentration schließen.

    Wann soll man messen?
    Die Konzentration des Substrats wird nach Zugabe des Enzyms laufend geringer. Wir wollen aber die Ausgangskonzentration des Substrats ermitteln. Muss man daher die Geschwindigkeit ganz am Anfang, gleich nach der Enzymzugabe messen? Nein. Man misst die Extinktion 2 mal während die Reaktion läuft, also während des Abfalls der Substratkonzentration.  Mittels geeigneter mathematischer Formeln lässt sich aus der Differenz der beiden gemessenen Extinktionen und der verstrichenen Zeit die Ausgangskonzentration berechnen. Auch wenn man erst zu messen begonnen hat, als schon ein Teil des Substrats abgebaut war.
     
    Die Messungen bei der kinetischen Messung müssen zum richtigen Zeitpunkt erfolgen Kinetische Methode
    Man misst die Reaktionsgeschwindigkeit durch 2-malige Messung der Extinktion in einem definierten Zeitabstand. Aus diesen Ergebnissen lässt sich die Ausgangskonzentration berechnen.
    Vorteile: schnelle und genaue Messung, nur geringe Enzymmengen notwendig
    Nachteile: Reaktionsbedingungen müssen unbedingt konstant gehalten werden.

 

Endpunktmethoden benötigen andere Enzyme als kinetische Methoden

Aus dem obigen Beispiel könnte man ableiten, dass bei kinetischen und Endpunktmethoden prinzipiell die gleiche Reaktion abläuft und man daher einen Test für beide Varianten einsetzen könnte. Wenn das auch theoretisch möglich wäre, wäre es nicht ideal:

  • Bei der Endpunktmethode möchte man eine möglichst rasche komplette Umsetzung des Substrats erreichen, damit die Analyse nicht so lange dauert. Man wird ein Enzym wählen, dass eine hohe Affinität ("Anziehungskraft") zum Substrat hat. So sind möglichst viele Enzymmoleküle an der Umsetzung beteiligt und sie ist schneller abgeschlossen.
    [Die Größe, die die Affinität des Enzyms zum Substrat ausdrückt, ist die sog. Michaelis-Konstante. Ist sie klein, ist die Affinität groß. Für Endpunktmethoden sucht man also Enzyme mit niedriger Michaelis-Konstante.]
     
  • Bei kinetischen Methoden ist das anders. Das Prinzip der kinetischen Methode ist ja, dass die Reaktionsgeschwindigkeit der Substratkonzentration proportional ist. Das ist aber nur dann gegeben, wenn die Enzymmoleküle nicht ausgelastet sind. Sind einmal alle (oder die meisten) besetzt, dann führt eine Steigerung der Substratkonzentration auch nicht mehr zu einer entsprechenden Steigerung der Reaktionsgeschwindigkeit. Mehr geht dann nicht. Man muss also bei kinetischen Methoden darauf achten, dass relativ wenig Enzymmoleküle besetzt sind. Auch wenn eine Menge Substrat in der Probe sein sollte (was man ja vorher nicht weiß).
    Daher verwendet hierfür Enzyme mit einer eher niedrigen Affinität zum Substrat, also mit einer hohen Michaelis-Konstante.

 

Indikatorreaktionen können notwendig sein

Nicht immer gibt es bei der Reaktion des Enzyms mit dem Substrat etwas, was man im Photometer beobachten könnte. Dieses Problem stellt sich z.B. bei der Blutzuckerbestimmung. Zwar wird Glucose mit Hilfe des Enzyms Hexokinase umgesetzt, aber weder die Glucose noch das Produkt, das Glucose-6-Phosphat noch die beteiligten Kofaktoren ATP und ADP sind photometrisch messbar. Also schließt man eine zweite Reaktion an: Vermittelt durch das Enzym G-6-P-Dehydrogenase entsteht aus dem Glucose-6-Phosphat das D-Gluconolacton-6-Phosphat und NADPH/H+. Letzteres kann man photometrisch messen.

Reaktionsgleichung der Bestimmung von Glucose Das Ganze hat noch einen anderen wichtigen Aspekt: Das erste Enzym, die Hexokinase, würde auch mit anderen Zuckern reagieren, z.B. mit Fructose. Es ist also nicht ausreichend spezifisch für Glucose. Das Enzym der Indikatorreaktion, die G-6-P-Dehydrogenase ist aber spezifisch, es reagiert nur mit Glucose-6-Phosphat nicht aber mit z.B. Fructose-6-Phosphat. Somit dient die Indikatorreaktion in diesem Fall nicht nur dem Anzeigen des Vorgangs sondern auch der Spezifität der Messung.

 

Manche Produkte muss man beseitigen

Lactat wird im Blut bestimmt, um die Leistungsgrenzen von Sportlern festzustellen. Eine Erhöhung kann aber auch Ausdruck verschiedener Krankheiten sein (z.B. Schock oder Darmgefäßverschluss). Und Lactat lässt sich prinzipiell mit folgender enzymatischen Reaktion gut erfassen: Unter dem Einfluss des Enzyms Lactat-Dehydrogenase entsteht aus dem Lactat (unter Verbrauch von NAD+) Pyruvat und NADH/H+. Und das NADH/H+ lässt sich photometrisch messen.
Das Problem bei dieser Reaktion ist, dass sie auch in die andere Richtung läuft, sich also das Pyruvat wieder zum Lactat umwandelt. Besser gesagt: Das Gleichgewicht bei dieser Reaktion ist nicht klar auf der Seite der Produkte, wie es bei enzymatischen Nachweisreaktionen sein sollte.
Die Lösung ist, das Pyruvat mit einer zweiten Reaktion zu entfernen. Dann kann es sich nicht mehr rückumwandeln.
Das funktioniert z.B. mit dem Stoff Hydrazin, der mit Pyruvat unwiderruflich zum Hydrazon reagiert. Oder man entfernt das Pyruvat mit Hilfe eines 2. Enzyms, der Alanin-Aminotransferase.

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B. Enzyme als Indikatoren in der Immunchemie

Allgemeines

Antikörper werden für Laboranalysen eingesetzt
In der Immunchemie werden verschiedenste Strukturen mit Hilfe von Antikörpern nachgewiesen, die gegen diese Strukturen gerichtet sind.  Nachweisen kann man z.B. Krankheitserreger, Tumormarker im Blut oder auch Tumorzellen im Mikroskop. Aber auch Antikörper, die wir selbst z.B. gegen Krankheitserreger bilden, kann man mit geeigneten Ansätzen nachweisen.
Grundlage der Reaktion ist immer, dass sich der Antikörper auf das passende Antigen setzt. Anschließend muss man die Reaktion sichtbar machen. Dazu gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Eine wichtige davon ist die Markierung mit Enzymen.

Das Enzym zeigt die Antikörperbindung an und verstärkt sie
Eine Markierung mit Enzymen könnte man so durchführen: Man koppelt ein Enzym an einen Antikörper. Der Antikörper setzt sich auf die nachzuweisende Struktur. Anschließend muss man den überschüssigen Antikörper, der nicht an die nachzuweisende Struktur gebunden ist, entfernen. Dann gibt man ein Substrat dazu, aus dem durch die Enzymwirkung ein farbiges Produkt entsteht. Dieses kann man dann im Photometer messen. Und da ein Enzymmolekül Zig-Tausende Farbmoleküle erzeugen kann, ist dies nicht nur eine Nachweis- sondern auch eine wichtige Verstärkerreaktion.

 

ELISA

Sehr verbreitet sind im Labor die sog. ELISA-Tests. ELISA steht für Enzyme-Linked-Immuno-Sorbent-Assay. Diese existieren in unzähligen Varianten. Eine Möglichkeit ist in der Abbildung dargestellt:

Schema eines ELISA zum Nachweis von Antikörpern im Serum

Beispiel eines ELISA zum Nachweis von Hepatitis-Antikörpern im Serum
1. Gefäß mit am Boden fixiertem Antigen (z.B. Teil des Hepatitis-Virus)
2. Zugabe von Serum. Sind im Serum Antikörper gegen Hepatitis-Viren, werden sich diese auf das Antigen setzen (roter Antikörper).
3. Nach Herauswaschen des Serums wird Enzym-gekoppelter Markierungs-Antikörper (brauner Antikörper) zugegeben. Dieser Antikörper bindet an menschliche Antikörper, daher auch an den roten Hepatitis-Antikörper.
4. Jetzt muss wieder ein Waschschritt erfolgen, denn überschüssiger Markierungs-Antikörper (nicht eingezeichnet) muss unbedingt entfernt werden. Danach gibt man ein Substrat dazu, das vom Enzym in einen gelben Farbstoff umgewandelt wird. Die Gelbfärbung ist der Nachweis, dass im Serum Hepatitis-Antikörper vorhanden waren.
Mikrotiterplatte ELISA in einer Mikrotiterplatte
So könnte das in der Praxis aussehen. In einer sog. Mikrotiterplatte sind 96 kleine Gefäße bzw. Näpfchen. Am Boden der Näpfchen kann das Antigen fixiert sein. Zugabe der Reagenzien erfolgt meist händisch, das Waschen und Ablesen in einem speziellen Gerät.

 

Enzym-unterstützte Analyse von  mikroskopischen Gewebspräparaten - Immunhistochemie

Zur Analyse von Geweben (z.B. Tumorgewebe) werden diese in ganz dünne Scheiben geschnitten, gefärbt und im Mikroskop untersucht. Aber nicht alles kann man nach einer einfachen Färbung im Mikroskop erkennen. Da kann es helfen, mit Antikörpern ganz bestimmte Strukturen, die für bestimmte Erkrankungen typisch sind, zu markieren. Wieder braucht man zum Sichtbarmachen eine Nachweisreaktion. Und die kann z.B. mit Enzym-gekoppelten Antikörpern erfolgen. Dann gibt man noch eine Flüssigkeit mit Substrat dazu, das vom Enzym in einen Farbstoff umgewandelt wird. Schon hat man die Antikörper-markierte Region im Mikroskop sichtbar gemacht.

Histologisches Präparat mit immunhistochemischer Färbung (rot) Beispiel einer immunhistochemischen, Enzym-vermittelten Färbung
Nachweis des sog. Inhibins, das man in der normalen Mikroskopie nicht erkennen würde, in einer Gewebsprobe. Zuerst wurde der Antikörper gegen Inhibin dazugegeben, danach wurde er mit einem Enzym gekoppelt. Dann wurde ein Farbstoff dazugegeben, der seine rote Farbe erst unter Enzymeinfluss entwickelt. Daher sind nur die Zellen, die Inhibin enthalten, rot gefärbt.
Nach einer Darstellung der Fa. Serotec.
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C. Einsatz von Enzymen in Biosensoren

Enzyme werden definitionsgemäß bei Reaktionen nicht verbraucht. Dennoch ist bei herkömmlichen Verfahren (z.B. der normalen Blutzuckermessung im Labor) eine Wiederverwendung nicht möglich. Man vermischt ja das Enzym mit der Probe und kann es anschließend nicht mehr einfach wiedergewinnen. Das relativ teure Enzym muss daher verworfen werden.

Diese und andere Gründe haben die Entwicklung nach alternativen Methoden zum Einsatz von Enzymen inspiriert.

Enzyme werden auf Membran fixiert
Grundsätzlich wollte man dabei das Enzym nicht verlieren. Man bindet es dazu an spezielle Membranen. Und anstatt es mit der Probe zu vermischen, bringt man es nur mit der Probe zusammen. Und zwar durch eine Trennmembran, die der zu analysierende Stoff durchdringen kann.

Die Reaktion wird mit Elektroden sichtbar gemacht
Der zu analysierende Stoff dringt zur Enzym-beladenen Membran vor und reagiert. Aber diese Reaktion muss man noch sichtbar bzw. messbar werden. Eine in der Routinechemie übliche Färbereaktion anzuschließen, wäre unpraktisch. Bei Biosensoren wählt man Reaktionssysteme, bei denen die durch die Enzymwirkung ausgelöste Reaktion mit Hilfe von Elektroden messbar ist.

Schema eines Biosensors, der die Wasserstoffperoxidbildung bei der Enzymreaktion ausnützt

Schema eines Biosensors (modifiziert nach Unterlagen der Firma YSI)
Wird der Biosensor mit Serum zusammen gebracht, gelangt der Analyt (=der Stoff, den man messen will) durch die Polykarbonat-Schicht zur Enzymschicht. Dort reagiert er unter Bildung von Wasserstoffperoxid (H2O2). Dieses gelangt durch die Celluloseacetat-Schicht und kann dann mittels Platinelektrode gemessen werden. Die Firma YSI bietet z.B. Glucose-, Alkohol und Lactat-empfindliche Sensoren an, die nach diesem Prinzip funktionieren.
Es gibt aber zahllose andere Varianten, bei denen Enzyme in vergleichbarer Form eingesetzt werden.

Die eingangs erwähnte Reagenzersparnis steht bei vielen Anwendungen der Biosensoren im Hintergrund. Die einfache Messbarkeit von Substanzen mit Hilfe eines Messfühlers, den man nur in die zu analysierende Flüssigkeit eintauchen muss, ermöglicht neue Einsatzmöglichkeiten.


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IV. Grundlagen der Enzymkinetik

Die Grundlagen der Enzymkinetik stehen oft am Anfang eines Kapitels über Enzyme und sind der Grund, warum man das Kapitel dann nicht zu Ende liest. Wir haben das Thema daher bewusst ans Ende gestellt und beschränken uns auf das Nötigste.

Michaelis-Menten-Graph Michaelis-Menten-Graph
Abhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von der Substratkonzentration (bei konstanter Enzymkonzentration).


Anmerkung: Diese Kurve gilt für viele aber nicht für alle Enzym-vermittelten Reaktionen. In biologischen Systemen ist oft eine sigmoide Kurve zu beobachten.

Die Michaelis-Menten Kurve beschreibt, wie hoch die Reaktionsgeschwindigkeit bei verschiedenen Substratkonzentrationen ist. Man sieht, dass mit steigender Substratkonzentration auch die Reaktionsgeschwindigkeit steigt. Am Anfang recht steil. Später wird die Kurve flacher, der Anstieg geringer. Es kommt zu einer Sättigung des Enzyms mit Substrat, die Geschwindigkeit lässt sich nicht (bzw. kaum) mehr weiter steigern. Die Maximalgeschwindigkeit wird zwar theoretisch nie erreicht, praktisch gesehen ist man ihr aber bei großem Substratüberschuss sehr nahe.

 

Die Gleichung nach Michaelis-Menten

Michaelis und Menten haben eine Funktion eingeführt, die oben dargestellte Kurve beschreibt:

Vmax x S
v =
Km + S
Dabei ist:
v die Reaktionsgeschwindigkeit
Vmax die maximale Reaktionsgeschwindigkeit
S die Substratkonzentration und
Km die sog. Michaelis-Konstante
(wird später erklärt, vorerst einmal:

irgendeine für das Enzym/Substrat-Paar typische Konstante)

 

Interessant an dieser Funktion sind folgende Situationen:

  • Substratüberschuss
    Ist S sehr groß, viel größer als Km, dann kann man Km vernachlässigen und die Formel heißt:
    (bitte statt der einfachen Wellenlinie eine doppelte vorstellen)
     
    Vmax x S
    v ~
    S/S ist 1, daher v ~ Vmax
    S

    Das deckt sich mit unseren Überlegungen: Bei hoher Substratkonzentration ist das vorhandene Enzym gesättigt und die maximale Reaktionsgeschwindigkeit wird erreicht.
    Im Substratüberschuss, also in der Enzymsättigung, hält man die Bedingungen beim Nachweis von Enzymen im Blut. Da will man ja, dass die Reaktionsgeschwindigkeit nur mehr von der Enzymkonzentration abhängt, denn die will man ja bestimmen. Und das ist bei Substratüberschuss der Fall.

  • Geringe Substratkonzentration
    ist S sehr klein, viel kleiner als Km, dann kann man das S im Nenner vernachlässigen und die Formel heißt
     
    Vmax x S
    v ~
    Km

    Nun ist aber Vmax konstant (bei konstanter Enzymkonzentration), Km ist sowieso eine Konstante, man kann also sagen in diesem Fall gilt

    v ~ K x S
     
    K steht für "irgendeine Konstante". Wichtig ist, dass in diesem Fall, also wenn S viel niedriger als Km ist, die Reaktionsgeschwindigkeit von der Substratkonzentration abhängt.
    Diese Bedingungen trifft man oft in biologischen Regelkreisen, im Stoffwechsel. So ist gewährleistet, dass mehr Substrat verarbeitet wird, wenn mehr Substrat anfällt. Ein Beispiel ist die Glucoseumwandlung durch die Glucokinase der Leber. Deren Km liegt bei ca. 270 mg/dl, der Blutglucosespiegel aber etwa bei 80 mg/dl, also deutlich unter Km. Nach Mahlzeiten steigt die Glucosekonzentration im zur Leber kommenden Blut auf 400 mg/dl oder mehr an, also über die Km. Dadurch steigt auch die Reaktionsgeschwindigkeit und damit die Verwertung/Speicherung der Glucose in der Leber.
    Aber auch bei labormedizinischen Tests, und zwar bei den bei den enzymatischen Messungen von Substraten mit kinetischen Methoden arbeitet man in diesem Bereich (siehe oben).

  • S = Km
    Eine dritte Situation ist noch interessant: Wenn die Konzentration des Substrats gleich der Michaelis-Konstanten Km ist.
    Es wurde noch nicht erwähnt, aber die Michaelis-Konstante hat die Dimension einer Konzentration (die Substratkonzentration natürlich auch).

    Ist S gleich Km, dann gilt:

    Vmax x Km Vmax x Km Vmax
    v =
    =
    =
    Km + Km 2 x Km 2

    Das heißt, wenn S gleich Km, dann läuft die Reaktion mit halber Maximalgeschwindigkeit. Und jetzt kommen wir auch endlich zu einer Beschreibung der Michaelis-Konstante.

    Die Michaelis-Konstante ist die Substratkonzentration, bei der die Enyzmreaktion mit halbmaximaler Reaktionsgeschwindigkeit abläuft.

 

 

Die Michaelis-Konstante ist eine Eigenschaft des Enzyms (bezogen auf ein bestimmtes Substrat)

  • Eine hohe Michaelis-Konstante zeigt eine niedrige Affinität des Enzyms zum Substrat.
    Das ist aufs Erste verwirrend aber: Eine hohe Michaelis-Konstante heißt ja, dass erst bei relativ hohen Substratkonzentrationen die halbmaximale Reaktionsgeschwindigkeit erreicht ist. Das Enzym ist offensichtlich nicht sehr bindungsfreudig.
     
  • Eine niedrige Michaelis-Konstante zeigt eine hohe Affinität des Enzyms zum Substrat.
    Eine niedrige Michaelis-Konstante heißt, dass schon bei relativ niedrigen Substratkonzentrationen die halbmaximale Reaktionsgeschwindigkeit erreicht ist. Das Enzym ist offensichtlich bindungsfreudig.
Michaelis-Menten-Graph mit eingezeichneter Michaelis-Konstante Michaelis-Menten-Graph mit eingezeichneter Michaelis-Konstante
Für die meisten Enzyme liegt die Michaelis-Konstante zwischen 10-5 und 10-3 mol/l also zwischen 10 und 1000 µmol/l.

 

Wie ermittelt man die Michaelis-Konstante?

Dazu muss man zuerst ein paar Versuche machen und die Reaktionsgeschwindigkeit bei verschiedenen Substratkonzentrationen messen. Die ermittelten Reaktionsgeschwindigkeiten kann man gegen die Substratkonzentrationen auftragen, was so aussehen könnte:

Die Ergebnisse der 6 Messungen wurden eingezeichnet, die Hyperbel-Form wird erkennbar Ergebnisse nach 6 Testansätzen mit 6 verschiedenen Substratkonzentrationen (bei konstanter Enzymkonzentration)


Und man könnte an diese Punkte jetzt so gut es geht eine Kurve anpassen, die Maximalgeschwindigkeit erahnen und bei der halben Maximalgeschwindigkeit die Michaelis-Konstante ablesen:

Hyperbel eingezeichnet, Vmax kann man trotzdem nur schätzen Ermitteln der Michaelis-Konstante Km
Durch Einzeichnen und Extrapolieren ("Verlängern") der Kurve kann man die Maximalgeschwindigkeit Vmax erahnen. Dadurch hat man natürlich auch Vmax/2. Unter dem Schnittpunkt von Vmax/2 mit der Kurve kann man Km ablesen.

Das Einzeichnen und Extrapolieren einer solchen Kurve ist nicht ideal. Wäre das ganze eine Gerade, wäre es leichter. Und tatsächlich kann man die Michaelis-Menten-Gleichung so umformen, dass eine Geradengleichung daraus wird:

1 Km 1 1

=
x
+
v Vmax S Vmax

Wie man zu der Gleichung kommt, kann uns egal sein, es ist eine Art Kehrwertbildung. Sie heißt jedenfalls Lineweaver-Burk-Gleichung und die entsprechenden Diagramme heißen Lineweaver-Burk Diagramme und die verwenden wir einfach:

Im Lineweaver-Burk-Diagramm ergibt die Verbindung der Messergebnisse eine Gerade Lineweaver-Burk Diagramm 1
Man trägt hier immer die Kehrwerte ein. Das ist etwas ungewohnt. Man findet z.B. auf der X-Achse rechts die niedrigen Substratkonzentrationen, während links die hohen Substratkonzentrationen sind.
Das wichtigste ist aber deutlich erkennbar: es entsteht eine Gerade.

Aber wo liest man jetzt die Ergebnisse ab? Wir wollen ja Vmax bestimmen, dann Vmax/2 und die Michaelis-Konstante Km.

Im Lineweaver-Burk-Diagramm lässt sich Vmax und auch Km eindeutig ablesen Lineweaver-Burk Diagramm 2
Vmax findet man bei unendlich hoher Substratkonzentration (bei kompletter Enzymsättigung). Das ist auf der X-Achse ganz links (wenn die Substratkonzentration S unendlich ist, ist 1/S null). Vmax ist also im Schnittpunkt der extrapolierten Geraden mit der Y-Achse abzulesen. Vmax/2 liegt auf der Y-Achse doppelt so hoch wie Vmax (Kehrwerte!). Hat man Vmax kommt man leicht auf 1/Km (strichlierte Linie). Der Kehrwert davon ist Km.

In der Praxis macht man es sich noch etwas einfacher:

Klassisches Lineweaver-Burk-Diagramm Typisches Lineweaver-Burk Diagramm
Wenn man die Gerade einfach in den (irrealen) Negativbereich verlängert kann man im Schnittpunkt der Geraden mit der X-Achse den negativen Kehrwert von Km ablesen.

 

Die verschiedenen Arten der Enzymhemmung

Es sollen hier nur die zwei Hauptmechanismen näher beschrieben werden, die kompetitive und die nicht-kompetitive Hemmung.

  • Die kompetitive Hemmung
    Bei der kompetitiven Hemmung gibt es einen Wettstreit des Substrates mit einem anderen Stoff um die Bindungsstellen am Enzym. Gibt man Substrat im Überschuss dazu, dann "gewinnt" das Substrat diesen Wettbewerb, dann spielt der Störfaktor kaum eine Rolle. D.h. die erreichbare Maximalgeschwindigkeit Vmax ist bei der kompetitiven Hemmung unbeeinflusst, man braucht nur genug Substrat zu verwenden.
    Die andere Kenngröße einer Enzymwirkung, die Michaelis-Konstante Km, wird aber erhöht sein. Weil sich das Enzym nicht mehr so leicht an das Substrat binden wird. Da spielt die Konkurrenz des Störfaktors eine Rolle.
     
    Bei der kompetitiven Hemmung ist die Bindung zum Substrat gestört, die Kurve flacher Kompetitive Hemmung
    • Vmax unverändert
    • Km erhöht

     

  • Die nicht-kompetitive Hemmung
    Dabei besitzt der hemmende Stoff keine Ähnlichkeit mit dem Substrat und konkurriert auch nicht mit dem Substrat um die Bindung an das Enzym. Der Hemmstoff wirkt an einer anderen Stelle des Enzyms und verlangsamt die Reaktion zum Produkt. Bei der rein nicht-kompetitiven Hemmung ist die Michaelis-Konstante unverändert, nur Vmax ist vermindert.
    Reine nicht-kompetitive Bindungen sind selten, da eine Bindung eines Stoffes an ein Enzym oft auch Auswirkungen auf das aktive Zentrum und damit die Substratbindung haben wird.
    Bei der reinen nicht-kompetitiven Hemmung ist nur Vmax verändert, nicht aber Km Nicht-Kompetitive Hemmung
    • Vmax vermindert
    • Km unverändert

     

  • Mit der eigenartigen Bezeichnung "unkompetitive Hemmung" (uncompetitive inhibition) beschreibt man eine Hemmung, bei der der hemmende Stoff sich erst dann ans Enzym binden kann, wenn dieses bereits das Substrat gebunden hat. Auch hierbei ist Vmax verringert, die Michaelis-Konstante kann eigenartiger Weise ebenfalls vermindert sein.

Mischformen zwischen verschiedenen Hemmformen kommen selbstverständlich vor.

 

"Sigmoide" Enzyme

Die schon mehrfach erwähnte Michaelis-Menten-Kurve beschreibt für viele Enzym-vermittelten Reaktionen den Zusammenhang zwischen Substratkonzentration und Reaktionsgeschwindigkeit. Aber nicht für alle Enzyme gilt dieser Zusammenhang, für manche sieht die Kurve anders aus. Eine wichtige Variante ist der sigmoide Kurvenverlauf mancher Enzyme:

Sigmoide Enzymkinetiken kommen im Stoffwechsel nicht selten vor Sigmoide Kurve eines Enzyms
Anfangs reagiert die Reaktionsgeschwindigkeit nur wenig auf steigende Substratkonzentrationen. Ab einer bestimmten Konzentration aber steigt die Geschwindigkeit plötzlich rasch an und ist sehr bald nahe der maximalen Geschwindigkeit.

Eine solche Kurve ergibt sich für Enzyme, die aus mehreren Untereinheiten bestehen. Jede Untereinheit hat ein aktives Zentrum. Der sigmoide Effekt kommt dann zu Stande, wenn die Bindung des Substrats an einer Untereinheit die Bindung des Substrats an der anderen Untereinheit erleichtert. Man nennt das dann auch positive Kooperativität, weil die Untereinheiten sich gegenseitig unterstützen.
Eine solches Verhalten wird dann günstig sein, wenn schon kleine Änderungen der Substratkonzentration große Änderungen der Reaktionsgeschwindigkeit auslösen sollen.


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Michaeliskonstante
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Letzte Änderung 2010-07-11

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