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Harnsäure
Univ.Prof.Dr.med. Wolfgang Hübl
    
IN FÜNF SÄTZEN:
Die Harnsäure im Serum (Blutflüssigkeit) bestimmt man meist zur Erkennung der Gicht oder des Risikos Gicht zu bekommen. Bei Gicht ist der Harnsäurespiegel im Allgemeinen erhöht. Aber nicht bei jedem Fall von Gicht besteht ein erhöhter Harnsäurespiegel und viele Menschen mit erhöhtem Harnsäurespiegel haben keine und bekommen auch keine Gicht. Der Harnsäurespiegel ist nur ein Mosaikstein der Diagnose Gicht.
Die Ursachen der Gicht sind einerseits erblicher Natur andererseits haben unsere Ernährungsgewohnheiten einen großen Einfluss.
   
NAME:
Eine im Harn in hoher Konzentration vorkommende Säure.
   
KURZINFO:

Woher kommt die Harnsäure im Blut?
In Zellen sind viele Stoffe, die chemisch betrachtet ein Purin-Grundgerüst haben. Purinkörper bestehen aus 2 stickstoffhaltigen Ringen. Sie finden sich z.B. im genetischen Material der Zellen (DNS, RNS) und in Energieträgern (ATP, GTP). Beim Abbau all dieser Stoffe kann Harnsäure entstehen.

  • Der größere Teil der Harnsäure des Blutes entsteht durch den Abbau körpereigener Purinkörper (z.B. beim Abbau von Zellen).
     
  • Der etwas kleinere Teil der Harnsäure entsteht aus den mit der Nahrung zugeführten Purinkörpern (bes. in Fleisch und Innereien sind Purinkörper).

Die Harnsäure ist das Endprodukt der Purinkörper. Sie wird beim Menschen nicht mehr weiterverarbeitet sondern nur mehr ausgeschieden.

 

Wo wird Harnsäure hergestellt und wo ausgeschieden?
Gebildet wird sie praktisch nur in der Leber und im Dünndarm.
Der größte Teil der anfallenden Harnsäure wird über die Niere in den Harn, ein kleiner Teil über den Darm ausgeschieden.

 

Warum hat man zu hohe Harnsäurespiegel?
Prinzipiell kann daran schuld sein:

  • eine zu hohe Eigenproduktion (seltene Erkrankungen)
      
  • eine zu geringe Ausscheidung in der Niere (häufigste Ursache! z.B. bei Gicht)
      
  • eine zu hohe Purinkörper- oder Alkoholzufuhr in der Nahrung (häufige Zusatzfaktoren)
     
  • vermehrter Zellabbau (z.B. Leukämien)
     
  • und natürlich eine Kombination dieser Ursachen

Über die Ursachen im einzelnen siehe unter Hyperurikämie weiter unten.

 

Schematische Darstellung des Harnsäurestoffwechsels, der Ursachen von Erhöhungen und der Behandlungsmöglichkeiten

Harnsäurestoffwechsel

 

Was ist Gicht, welche Zeichen hat sie und wie stellt man die Diagnose?

  • Definition
    Gicht ist eine Purinstoffwechselstörung, bei der es zu Ablagerungen von Harnsäure-Salzen an verschiedenen Stellen des Körpers, besonders im Bereich der Gelenke kommt.
     
  • Zeichen
    Der Gichtanfall (die akute Gichtarthritis = Gicht-Gelenksentzündung): Manchmal ausgelöst durch geringe Verletzungen, übermäßiges Essen oder Alkoholexzesse, Stresssituationen, Infektionen, Fasten oder andere Belastungen. Beginn meist in der Nacht, meist nur in einem Gelenk und zwar im Grundgelenk der großen Zehe. Zunehmend stärker werdender Schmerz, Schwellung, Rötung und starker Schmerz bei Berührung. Dazu können Fieber, Schüttelfrost und Laborzeichen der Entzündung kommen (Erhöhung der weißen Blutkörperchen, CRP-Erhöhung). Dauer einige Tage bis 2 Wochen. Bei neuerlichen Anfällen können mehrere Gelenke gleichzeitig oder hintereinander betroffen sein. Zwischen den Anfällen anfangs keine Beschwerden.
     

    Die befallenen Gelenke: meist Großzehengrundgelenk (80% der Fälle; sog. Podagra), seltener Sprunggelenk, Fußwurzelgelenk, Kniegelenk (Gonagra), Handgelenke (Chiragra) oder Schultergelenk.
     

    Podagra Gicht des Großzehengrundgelenks (Podagra)
    Teigige Schwellung, Rötung, Schmerz, Druckschmerz, Erwärmung

    Im Verlauf der Erkrankung entstehen auch an der Haut (z.B. am Ohr) sichtbare Gichtknoten, in denen Harnsäurekristalle abgelagert sind.

    Gichtknoten am Ohr Gichtknoten an der Ohrmuschel
    Harnsäureablagerungen führen zu Gichtknoten. Unter Therapie kann es langfristig zur Rückbildung kommen.

    Ablagerungen in der Niere können zu Nierenschäden führen, auch echte Nierensteine können auftreten.

  • Diagnose
    Die Beobachtung der oben beschriebenen Zeichen und die Schilderung des Patienten ist wichtig, ein erhöhter Harnsäurespiegel ist ein weiteres Indiz, ebenso laborchemische Entzündungszeichen. Entscheidend kann der Nachweis von Harnsäure-Kristallen in der Gelenksflüssigkeit sein.
     
    Harnsäure-Kristalle in der Gelenksflüssigkeit im Mikroskop betrachtet Harnsäure-Nadeln
    Bei der Untersuchung der Gelenksflüssigkeit im Mikroskop finden sich nadelförmige Harnsäurekristalle.


    Im Röntgen und an der Haut sieht man beim ersten Anfall in der Regel noch nichts.
    Früher hat man noch die heilende Wirkung des Medikaments Colchizin bei Gichtanfällen als Hilfsmittel zur Diagnose angesehen, dies halten aber heute viele für überholt.

Gicht betrifft fast nur Männer, wenn Frauen, dann nach dem Wechsel. Verwandte von Gichtkranken haben ein höheres Risiko an Gicht zu erkranken.

 

Wie häufig kommt ein zweiter Gichtanfall?
Über 90% aller Patienten bekommen zumindest einen weiteren Anfall, der aber auch erst einige Jahre nach dem ersten auftreten kann.

Dauer zwischen erstem
und zweitem Gichtanfall

Anteil der Patienten
1 Jahr 62%
1 bis 2 Jahre 16%
2 - 5 Jahre 11%
5 - 10 Jahre 6%
kein zweiter Anfall in 10 Jahren 7%

 

Hat jeder, der Gicht hat, erhöhte Harnsäurespiegel?
Nein. Bei einem Gichtanfall findet man in den meisten Fällen, aber eben nicht in jedem Fall einen erhöhten Harnsäurespiegel.

 

Hat jeder, der erhöhte Harnsäurespiegel hat, Gicht?
Auch das nicht. Etwa jeder sechste Mann hat einen Harnsäurespiegel über 7 mg/dl, also einen Wert über dem Idealwert. Aber nur etwa einer von 400 Männern bekommt Gicht.

 

Was bedeuten dann erhöhte Harnsäurespiegel?
Erhöhte Harnsäurespiegel stellen einen Risikofaktor da Gicht zu bekommen. Je höher der Harnsäurespiegel, desto höher das Risiko.

Harnsäurespiegel Häufigkeit einer Gicht-
Gelenksentzündung
mg/dl µmol/l  
kleiner als 6.0 kleiner als 357 einer von 166
6.0 - 6.9 357 - 410 einer von 52
7.0 - 7.9 416 - 470 einer von 6
8.0 - 8.9 476 - 529 einer von 4
größer oder gleich 9.0 größer oder gleich 535 9 von 10

Fallweise wurden erhöhte Harnsäurespiegel als Risikofaktor für Gefäßerkrankungen ("Gefäßverkalkung", "Arteriosklerose") genannt. Sie dürften aber kein eigenständiger Risikofaktor sein.

 

Wann sollte man einen erhöhten Harnsäurespiegel senken?
Da gehen die Meinungen doch etwas auseinander, auch ist die spezielle Situation des Patienten zu berücksichtigen. Ihr behandelnder Arzt muss dies für Sie entscheiden.

Grobe Leitlinien:

  • Bei leicht erhöhten Werten, also Werten unter 9.0 mg/dl (535 µmol/l), und Fehlen irgendwelcher Krankheitszeichen genügen Ernährungsempfehlungen.
     
  • Eine medikamentöse Therapie wird erst bei Harnsäurewerten über 9.0 mg/dl (535 µmol/l) oder beim Auftreten von Folgen der hohen Harnsäure (z.B. Gichtanfälle, Nierensteine [Uratsteine], Gichtknoten) für notwendig erachtet. Ziel wird es dann sein, den Harnsäurespiegel auf einen Wert um 5 mg/dl (297 µmol/l) einzustellen.
     
  • Eine lebenslange Therapie nach nur einem Gichtanfall als einziges Zeichen halten viele für nicht gerechtfertigt.

 

Wie sieht eine purinarme Diät aus?
Prinzipiell muss man purinreiche Nahrung vermeiden:

  • sehr viel Purine: Innereien (Bries, Leber, Niere, Herz), Anchovis, Heringe, Sardinen, Makrelen, Muscheln
  • viel Purine: Fleisch und Fische (außer im obigen Punkt erwähnte)
  • wenig Purine: Gemüse (Ausnahme: Hülsenfrüchte [Erbsen, Bohnen, Linsen] und Spinat sind relativ purinreich), Weißbrot (Vollkornprodukte haben mehr Purine)
  • keine oder fast kein Purine: Milchprodukte, Reis, Nudeln, Eier, Butter, Öl, Wein, Kaffe, Tee

Daneben sollte man Alkoholika vermeiden: manche (ausgerechnet Bier) enthalten Purine, alle Alkoholika können den Harnsäurespiegel erhöhen, weil die Ausscheidung in der Niere behindert wird.

 

Hilft die Diät, den Harnsäurespiegel zu senken?
In manchen Fällen kann man den Harnsäurespiegel durch eine Diät ausreichend senken. In vielen Fällen wird es nicht ausreichend sein. Dazu kommt, dass in vielen Fällen eine medikamentöse Behandlung leichter verwirklichbar sein wird. Die zur Verfügung stehenden Medikamente wirken sehr gut, wogegen eine wirksame Diät nicht leicht einzuhalten ist. Die Bedeutung der Diät für die Behandlung der Gicht ist daher kleiner geworden.
Da Gichtkranke aber häufig auch noch an zu hohen Blutfetten,  Übergewicht, Zuckerkrankheit leiden, wird eine entsprechende Diät dennoch in vielen Fällen sinnvoll sein.

 

Was bringt eine Behandlung?
Ziel der Behandlung ist die Senkung der Häufigkeit von Gichtanfällen sowie die Vermeidung von Komplikationen (v.a. Nierenschäden, Nierensteine, Gelenkszerstörungen und Gichtknoten).

 

Können sich Folgen der erhöhten Harnsäure unter Therapie wieder zurückbilden?
Ja, unter medikamentöser Dauertherapie können sich einige Veränderungen wieder zurückbilden. Gichtknoten können sich nach Jahren zurückbilden, auch Nierensteine können sich wieder auflösen. Gelenksveränderungen können sich bessern. Schwere Gelenksveränderungen und schwere Nierenschäden sind natürlich nicht rückbildungsfähig, sollten aber heutzutage durch rechtzeitige Behandlung gar nicht mehr vorkommen.

   
REFERENZ-
BEREICH:
Blutflüssigkeit (Serum) Bereich Einheit Bereich Einheit
Männer 3.6 - 8.2 mg/dl 214 - 488 µmol/l
Frauen 2.3 - 6.1 mg/dl 137 - 363 µmol/l
Dies sind Referenzwerte ermittelt bei der "Normalbevölkerung". Da aber ein großer Teil der Menschen in westlichen Industrieländern zu hohe Werte aufweisen sind dies (bei Männern) keineswegs ideale Werte oder Sollwerte. Vom Gesichtspunkt der Gefahr an Gicht zu erkranken definiert man 6.5 mg/dl für beide Geschlechter als Obergrenze. Was darüber liegt ist eine zu hohe Harnsäurekonzentration, eine sog. Hyperurikämie.
Harnsäureaus-
scheidung im Harn
Bereich Einheit Bereich Einheit
normale Kost bis 800 mg/Tag 4.8 mmol/Tag
Purinarme Kost bis 600 mg/Tag 3.5 mmol/Tag
   
ERHÖHUNG:
(Hyper-
urikämie)
Man teilt die Erhöhungen in:
 
1. Primäre Harnsäure-Erhöhungen = Primäre Hyperurikämien
auch als idiopathische (d.h. ohne erkennbare Ursache entstandene) oder familiäre Hyperurikämien bezeichnet.
  • Zu geringe Ausscheidung: Dazu gehören die meisten und die klassischen Fälle der Gichterkrankung. Eine exakte Ursache lässt sich nicht finden. Man weiß aber, dass bei den meisten Erkrankten die Ausscheidung der Harnsäure in der Niere gestört ist und der Spiegel im Blut deswegen erhöht ist. Man weiß auch, dass diese Form familiär gehäuft vorkommt (d.h., dass in einer Familie überdurchschnittlich viele Fälle von erhöhter Harnsäure vorkommen, und das Risiko von Verwandten daher höher ist, ebenfalls einen erhöhten Harnsäurespiegel zu haben).
     
  • Zu hohe Produktion: Nur in etwa 1% der Fälle ist eine zu hohe Harnsäureproduktion die Ursache der Primären Hyperurikämie (z.B. Lesch-Nyhan Syndrom: zeigt Gicht schon im Kindesalter).

 

 

2. Sekundäre Harnsäure-Erhöhungen = Sekundäre Hyperurikämien
Bei diesen Erkrankungen ist ein anderer, definierbarer Umstand für den erhöhten Harnsäurespiegel verantwortlich zu machen.
  • Verstärkter Abbau bzw. Umsatz von Zellen
    Manche Fälle von Krebs, besonders Blutkrebs (z.B. Leukämien, Plasmozytome, Lymphome): es werden viele Krebszellen gebildet, und es werden auch viele abgebaut, dabei entsteht Harnsäure
    Krebstherapien (Zytostatika, Bestrahlungen): Krebszellen werden zerstört, dabei entsteht Harnsäure
    Hämolysen: Auflösung von roten Blutkörperchen; rote Blutkörperchen werden laufend nachgebildet und wieder abgebaut
    Hungerzustände (Diäten!! Können Gichtanfall auslösen)
     
  • Verminderte Ausscheidung von Harnsäure bei Nierenversagen
     
  • Verminderte Ausscheidung auch bei manchen Vergiftungen (Blei, Cadmium, Beryllium) und Hormondrüsenüberfunktionen: bei Überfunktion der Schilddrüse (Hyperthyreose), der Nebenschilddrüse (Hyperparathyreoidismus), des Wachstumshormons (Akromegalie)
     
  • Verminderte Ausscheidung und vermehrte Zufuhr bei exzessivem Alkoholgenuss
     
  • Verminderte Ausscheidung bei bestimmter, sehr seltener angeborener Speicherkrankheit (Glykogenspeicherkrankheit Typ I)
     
  • Medikamente: viele Medikamente führen zu höheren Harnsäurespiegeln, darunter harntreibende Mittel (Diuretika), Schmerzmittel, Entzündungshemmer, Transplantationsmedikamente (Cyclosporin) und andere.
     
  • Übermäßiger Verzehr purinreicher Nahrung kann bei entsprechender Neigung zur Hyperurikämie führen oder diese verstärken
   
VERMIN-
DERUNG:
(Hypo-
urikämie)
Abweichend vom Referenzbereich wird von einer verminderten Harnsäurekonzentration im allgemeinen erst bei Werten kleiner oder gleich 2 mg/dl (119 µmol/l) gesprochen.
 
URSACHEN
  • Zufallsbefunde bei denen man keine Ursache findet
     
  • Verminderte Harnsäurebildung
    Behandlung mit bestimmten Gichtmedikamenten (z.B. Gichtex)
    Schwere Leberschäden
    Seltene Erbkrankheiten (z.B. Xanthinurie)
     
  • Vermehrte Ausscheidung
    Behandlung mit bestimmten Gichtmedikamenten (z.B. Uricovac)
    Röntgenkontrastmittelgabe
    andere Medikamente
    verschiedene Nierenkrankheiten
    sowie bei verschiedenen Erkrankungen ohne klaren Zusammenhang

Ein verminderter Harnsäurespiegel hat daher außer in speziellen Fällen nur eine geringe Bedeutung und im Gegensatz zum erhöhten Spiegel keinen eigenen Krankheitswert.

   

 

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Letzte Änderung 2016-03-28

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