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Erythrozytenindizes (MCV, MCH, MCHC, RDW)- Übersicht
Univ.Prof.Dr.med. Wolfgang Hübl

Namen - Kurzinfo - Referenzbereiche - Einteilung der Blutarmut nach dem MCV
Bedeutung von MCH, MCHC, RDW

MCV: Mean Corpuscular Volume
MCH: Mean Corpuscular Hemoglobin
MCHC: Mean Corpuscular Hemoglobin Concentration
RDW: Red Cell Distribution Width
   
Moderne Hämatologieanalysatoren können rote Blutkörperchen nicht nur zählen. Sie bestimmen auch die sog. Erythrozytenindizes, die oft darüber Aufschluss geben können, warum der Patient eine Blutarmut (Anämie) hat. Dabei ist wichtig,
  • wie groß ein rotes Blutkörperchen ist. Als Maß der Größe wird das MCV (Mean Corpuscular Volume), das mittlere Volumen des Blutkörperchens angegeben. Warum das "mittlere"? Nun, das Gerät misst tausende rote Blutkörperchen pro Patient. Diese Blutkörperchen sind nicht alle gleich groß. Daher wird als Ergebnis das mittlere Volumen, also die durchschnittliche Größe, angegeben. Nach der Größe der Blutkörperchen teilt man meist die Formen der Blutarmut ein. Das MCV ist dafür also der wichtigste Wert.
  • wie viel Hämoglobin in einem Blutkörperchen ist. Dies wird als MCH (Mean Corpuscular Hemoglobin), also mittlere Hämoglobinmenge pro rotes Blutkörperchen angegeben.
  • wie konzentriert das Hämoglobin im roten Blutkörperchen ist. Dafür ist das MCHC (Mean Corpuscular Hemoglobin Concentration) das Maß.

MCHC ist etwas anderes als MCH. Der Unterschied wird aber oft nicht klar. Vielleicht ein Beispiel: Statt dem Hämoglobin stellen sie sich Nudeln vor. Sie haben 2 Töpfe mit Nudelsuppe vor sich. In beiden sind je 5 Nudeln. Die Menge an Nudeln (an Hämoglobin) ist also gleich, das MCH ist ident. Im ersten Teller ist aber nur 1 Liter Suppe, im zweiten sind 2 Liter Suppe. Die Konzentration (also das MCHC) der Nudeln (des Hämoglobins) ist also im ersten Teller doppelt so hoch wie im zweiten.

Schema der Erythrozytenindizes MCV, MCH, MCHC

Eine weitere, in manchen Fällen interessante Größe ist das RDW (Red Cell Distribution Width), die Verteilungsbreite der roten Blutkörperchen. Sie gibt an, ob die Blutkörperchen eines Patienten sehr unterschiedlich groß sind (erhöhtes RDW), oder ob sie alle ungefähr gleich groß sind (normales RDW). Das RDW ist also ein Maß für etwas, das man auch Anisozytose nennt.

   
REFERENZ-
BEREICH:
  Bereich Einheit Bereich Einheit
MCV 85 - 101 fl (femtoliter) 85 - 101 µm3 (Kubikmikrometer)
MCH 26 - 34 pg (pikogramm) 1.6 - 2.1 fmol (femtomol)
MCHC 32 - 36 g/dl 19.9 - 22.3 mmol/l (millimol/l)
   

 
Einteilung der Anämien (Blutarmut) nach der Größe der roten Blutkörperchen, dem MCV
 
MCV erniedrigt - MCV erhöht - MCV normal

 
Die Größe der roten Blutkörperchen, die mit dem MCV ausgedrückt wird, ist eine wichtige Information, um beim Vorliegen einer Anämie (Blutarmut) die Ursache zu erkennen oder zumindest einzugrenzen. Daher werden die Anämien meist in solche mit zu kleinen, zu großen und solche mit normal großen Blutkörperchen eingeteilt.
I.
MIKROZYTÄRE ANÄMIEN
(Blutarmut mit kleinen roten Blutkörperchen)
MCV ist erniedrigt - Mikrozytäre Anämien

Eisenmangelanämie
Bei weitem die häufigste mikrozytäre Anämie. Ursache können geringe aber länger anhaltende, auch unbemerkte Blutungen sein oder die mangelnde Aufnahme von Eisen (zu geringe Zufuhr, fehlende Aufnahme im Verdauungstrakt).

Anulozyt Rotes Blutkörperchen eines Patienten mit Eisenmangel. Wegen des Eisenmangels hat die Zelle viel zu wenig Hämoglobin (roten Blutfarbstoff). Es färbt sich nur mehr ein Ring an. Ringzelle = Anulozyt.

Dabei ist das MCH niedrig und meist auch das MCHC. RDW ist erhöht. Die Zahl der Erythrozyten muss nicht unbedingt deutlich vermindert sein. Wichtigster abklärender Befund ist das Ferritin, das bei Eisenmangel erniedrigt ist.

Thalassämie und andere Hämoglobinopathien
Dies ist eine Gruppe von erblichen Erkrankungen, bei denen der Körper einen "fehlerhaften" roten Blutfarbstoff (Hämoglobin) bildet. Bei uns nicht sehr häufig, in den Mittelmeerländern schon (Thalassämie wird dt. als Mittelmeerblutarmut bezeichnet). Mischerbige Formen der Thalassämie können unbemerkt bleiben, reinerbige können ohne Therapie tödlich sein. Für das Abschätzen des Risikos eines Kindes sollten daher auch mischerbige Formen der Eltern erkannt werden. MCH ist niedrig, MCHC normal, RDW bei leichten Formen ebenfalls normal. Ferritin ist in solchen Fällen nicht erniedrigt. Abklärung bringt meist eine Hämoglobinspezialuntersuchung (Elektrophorese oder HPLC).

- Bei stark erniedrigtem MCV (unter 70 fl) kommt vorwiegend ein Eisenmangel oder eine Thalassämie in Betracht.

Anämie bei chronischen Erkrankungen
Blutarmut bei malignen Erkrankungen, Entzündungen, Rheumatischen Erkrankungen, Chronischem Nierenversagen. Diese Anämieform kann ein leicht erniedrigtes MCV und MCH haben. Eisen und Transferrin oft niedrig, Ferritin erhöht.

Andere Ursachen sind wesentlich seltener (Kupfermangel bei künstlich Ernährten oder langer Zinktherapie [Leukozyten niedrig, Thrombozyten normal], Vitamin B6-Mangel, angeborene Eiseneinbaustörung - sideroblastische Anämie, erworbene Eiseneinbaustörungen, Bleivergiftung)

   
II.
MAKROZYTÄRE ANÄMIEN
(Blutarmut mit großen roten Blutkörperchen)
MCV ist erhöht - makrozytäre Anämien
 
Man kann diese Anämien in 2 Gruppen Teilen:
1. Megaloblastische (=megalozytäre) Anämien
Diesen liegt eine Störung bei der Herstellung der DNA (=DNS), also der Erbsubstanz der Zellen zu Grunde. Das heißt, dass Zellen, die sich rasch teilen müssen, und dabei ihre DNA ja verdoppeln müssen, Probleme haben. Und dazu gehören auch die roten Blutkörperchen, die ständig im Knochenmark nachgebildet werden müssen.
Diese Form der Anämien zeigen meist ein relativ stark erhöhtes MCV (110-130 fl), also sehr große rote Blutkörperchen.
 
Megalozyt (rechts) Links ein etwa normal großes, rechts ein stark vergrößertes, ovales rotes Blutkörperchen. Ein Megalozyt, wie er bei megaloblastären Anämien vorkommt.

Als Ursachen kommen in Frage

  • Vitamin-B12-Mangel
    Einseitige Ernährung (selten), Perniziöse Anämie, nach Magenoperationen, Verdauungsstörungen, manche Medikamente, Fischbandwurm (Rarität)
  • Folsäure-Mangel (ein anderes Vitamin)
    Einseitige Ernährung (Folsäure-Mangel häufig bei Alkoholismus), Schwangerschaft, Kindheit, Verdauungsstörungen, manche Medikamente
  • Erbliche Störungen der DNA-Herstellung (selten)
  • Medikamenten- oder Giftstoff-verursachte Störungen der DNA-Herstellung
    Tumormedikamente-Zytostatika (z.B. Methotrexat, Merkaptopurin, Cytarabin, Cyclophosphamid, Arsen, Stickstoffoxide)
     
2. Die nicht-megaloblastischen, makrozytären Anämien
Bei diesen Blutarmutsformen sind die roten Blutkörperchen zu groß (makrozytär), aber es liegt nicht an einer Störung der DNA-Herstellung. Diesen Erkrankungen liegen verschiedene andere Ursachen zu Grunde. Die roten Blutkörperchen sind meist nur gering erhöht (unter 110 fl) bzw. können in manchen Fällen dieser Erkrankungen auch normal groß sein (dann würden sie natürlich zu den normozytären Anämien zählen).

Als Ursachen kommen in Frage

  • eine rasche Blutneubildung (junge rote Blutkörperchen sind größer) bei Zerstörung der Blutkörperchen (Hämolyse) oder nach Blutungen
  • Lebererkrankungen, seltener Nierenerkrankungen
  • Alkoholismus
  • Erkrankungen des Knochenmarks bzw. der Blutzellen
    Myelodysplastische Syndrome (MDS), Leukämien, Aplastische Anämie
  • Schilddrüsenunterfunktion
  • Strahlentherapie
  • Vergiftungen (Gold, Benzol)
   
III.
NORMOZYTÄRE ANÄMIEN
(Blutarmut mit normal großen roten Blutkörperchen)
MCV ist normal - normozytäre Anämien
 
Vorausgeschickt sei, dass normozytäre Anämien bei Menschen im hohen Alter sehr häufig sind. Oft findet man dafür keine bestimmte Ursache. Das Problem dürfte darin liegen, dass bei 80-jährigen meist dieselben Referenzbereiche ("Normalbereiche") angewendet werden, die man für 20-jährige verwendet. Eine Ermittlung von Normalwerten für das höhere Alter wäre sinnvoll.
 
Rote Blutkörperchen Normale rote Blutkörperchen
Ursachen für normozytäre Anämien:
  • Plötzliche, schwere Blutungen
  • Nierenerkrankungen
  • Lebererkrankungen
  • Erkrankungen des Knochenmarks bzw. der Blutzellen
    Leukämien, Plasmozytom, Osteomyelofibrose, Aplastische Anämie, Pure Red Cell Aplasia (ev. virusbedingt), Myelodysplasien, Metastasen (Tochtergeschwülste)
  • Zerstörung der Blutkörperchen (Hämolyse)
    MCV kann erhöht oder normal sein.
  • Hormonelle Störungen
    Schilddrüsenstörungen, Nebennierenrindenschwäche, Erkrankungen der Hirnanhangsdrüse
  • Vergrößerungen der Milz
  • Relative Zellarmut durch Vermehrung der Blutflüssigkeit
    Schwangerschaft, übermäßige Infusionen
  • Medikamente, Chemotherapie und Bestrahlungen
  • Anämie bei chronischen Erkrankungen (siehe unter mikrozytäre Anämie; kann normal große oder kleine rote Blutkörperchen haben)
  • Angeborene Dyserythropoetische Anämien (CDA; selten)

 

 
Bedeutung von MCH, MCHC und RDW

MCH
Das MCH, also der Hämoglobingehalt eines roten Blutkörperchens geht weitgehend parallel mit dem MCV, also der Größe des Blutkörperchens.
Daher sind die früher üblichen Bezeichnungen hypochrome, hyperchrome und normochrome Anämie weitgehend mit den neueren Bezeichnungen mikrozytäre, makrozytäre und normozytäre Anämie vergleichbar.
   
Das MCHC beschreibt, wie oben erklärt, wie konzentriert das Hämoglobin im roten Blutkörperchen ist ("wie rot er ist").  Das MCHC ist eine sehr stabile Größe, nur bei wenigen Erkrankungen ist es verändert. Niedrige Werte werden besonders bei schwerer Eisenmangelanämie, erhöhte Werte bei der erblichen Kugelzellanämie (hereditäre Sphärozytose) und bei schwerer Austrocknung (Exsiccose) gefunden.

Da das MCHC bei den meisten Erkrankungen nicht verändert ist, wird es im Laborbereich gewissermaßen als Kontrolle des Hämatologiegerätes verwendet: Ist das MCHC zu hoch oder zu niedrig ist ein Fehler bei der Bestimmung wahrscheinlicher als das Vorliegen einer der oben genannten Erkrankungen.

Kälteagglutinine
Zu einem "Fehler" kommt es auch, wenn durch sog. Kälteagglutinine die roten Blutkörperchen verklumpen und dann falsch gezählt werden (das MCV etwas zu hoch, die Zahl zu niedrig). Das merkt man meist am zu hohen MCHC. Man wärmt die Probe auf, misst noch einmal und das MCHC wird normal.
Kälteagglutinine verursachen Blässe oder Blaufärbung der Finger und Zehen bei Kälteeinwirkung. Ursache ist meist unbekannt, manchmal ein Lymphdrüsenkrebs oder eine Infektion.

   
RDW
Das RDW beschreibt, wie oben erklärt, ob die roten Blutkörperchen gleichmäßig groß sind (normales RDW) oder sich in der Größe stark unterscheiden (hohes RDW).

So versucht man, bei Blutarmutsformen mit niedrigem MCV eine Unterscheidung zwischen Eisenmangelanämie (RDW hoch) und manchen Thalassämie-Formen (RDW normal) zu treffen.

Unter den Anämien mit erhöhtem MCV haben die aplastische Anämie ein normales, die megaloblastären Anämien ein hohes RDW.

Im Allgemeinen wird dem RDW im klinischen Alltag aber kein wirklich großer Stellenwert beigemessen.

   

 

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Letzte Änderung 2003-09-09

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